Die wohl legendärste Szene in »Der große Diktator« ist der groteske Tanz von Diktator Hynkel mit einem aufblasbaren Globus. Dem Publikum des am 15. Oktober 1940 in New York uraufgeführten Meisterwerks dürfte jedoch das Lachen im Halse steckengeblieben sein. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte Adolf Hitler bereits halb Europa überrannt. Charlie Chaplins Satire aber, in der er dem Diktator auf ewig den Stempel der Lächerlichkeit aufdrückte, hatten die Nazis nicht verhindern können. Sie war der erste große Anti-Nazi-Spielfilm.
Seit Mitte der 30er-Jahre durchgesickert war, dass der weltberühmte Spaßmacher einen Film über Hitler plante, wurde das Projekt vehement bekämpft. Neben Drohungen deutscher Diplomaten und des nationalsozialistischen German-American Bund übten auch die Briten Druck aus, um ihre Appeasement-Politik gegenüber Hitler nicht zu gefährden. Heftigen Widerstand gab es, aus Angst um den deutschen Markt, selbst aus Hollywood und sogar von Chaplins Verleih United Artists. US-Präsident Franklin D. Roosevelt allerdings sprach sich für das Werk aus.
Die NS-Propaganda hatte schon vorher Gift und Galle gegen den besonders in Deutschland vergötterten Komiker und Star der Stummfilmära gespuckt.
Schließlich drehte Chaplin den Film, eine Herzensangelegenheit, auf eigenes Risiko. Neben dem politischen und finanziellen ging er auch ein künstlerisches Wagnis ein, handelte es sich doch um Chaplins ersten durchgängigen Dialogfilm.
Die NS-Propaganda hatte schon vorher Gift und Galle gegen den besonders in Deutschland vergötterten Komiker und Star der Stummfilmära gespuckt, seine Filme sofort nach Hitlers Machtantritt verboten. Fälschlich wurde kolportiert, dass er Jude sei - was Chaplin bewusst nicht korrigierte: Mit rassistischem »Unsinn« wolle er sich nicht gemein machen, schrieb er in seiner Autobiografie.
So war sein Einfall, in einer Doppelrolle den Antisemiten Hynkel, Herrscher von Tomanien, und einen jüdischen Friseur zu verkörpern, der - aus dem KZ geflohen - für Hynkel gehalten wird, auch eine geniale Retourkutsche.
Womöglich hassten die Nazis Chaplin so sehr, weil auch sie die Verbindungslinien zwischen dem großen Clown und dem großen Hetzer nicht übersehen konnten. Das betraf nicht nur den Schnurrbart, den etwa der britische Komiker Tommy Handley im Spottlied »Who Is This Man Who Looks Like Charlie Chaplin« (Wer ist dieser Mann, der wie Charlie Chaplin aussieht) besang.
Ein Geniestreich war die Übersetzung von Hitlers geifernder Rhetorik in eine Kunstsprache voller Zischlaute und teutonisch klingender Worte wie »Sauerkraut«, »Hüttenzacker« und »Schtonk!«
Beide kamen 1889 im Abstand von vier Tagen zur Welt, wuchsen in armen, verworrenen Verhältnissen auf und waren zeitweise obdachlos. Der Schauspieler Chaplin, als »Der Tramp« zum Weltstar aufgestiegen, durchschaute den gescheiterten Künstler Hitler womöglich besser als viele Politiker. Er erkannte in dem »Führer« den Narzissten, der sich an der orgiastischen Bewunderung der Massen berauscht.
Ein Geniestreich war die Übersetzung von Hitlers geifernder Rhetorik in eine Kunstsprache voller Zischlaute und teutonisch klingender Worte wie »Sauerkraut«, »Hüttenzacker« und »Schtonk!« - später der Titel von Helmut Dietls Filmkomödie. Hynkel knurrt und bellt, dass sich die Mikrofone biegen. Wenn er sich nach seiner Tirade mit Wasser abkühlt, schüttet er es sich auch in die Hose. Ist er allein, dann klettert er, vor sich selbst erschrocken, wie ein Äffchen die Gardine hoch.
Eine Slapstickbehandlung erfahren auch der tollpatschige Feldmarschall Hering (Göring), der eiskalte Gorbitsch (Goebbels; englisch »Garbage«, Müll), und der Diktator von Bakteria, Benzino Napoloni (Benito Mussolini), der seine Ehefrau Mama nennt. Chaplins Persiflage des faschistischen Propagandazirkus, den er in UFA-Wochenschauen studierte, war so treffsicher, dass »Der große Diktator« neben Deutschland und Italien in Spanien verboten wurde - bis zu General Francos Tod 1975. In Westdeutschland kam er 1958 in die Kinos.
In dieser berühmten, todernsten Rede voller Humanismus wendet sich Chaplin direkt an die freie Welt, predigt Liebe statt Hass, erinnert daran, dass die Finsternis vorübergehen wird.
Viele Kritiker monierten aber die kitschige Darstellung des Ghettos und der Herzensdame des Friseurs. Manche hielten sogar anfänglich den - angesichts der realen Brutalität harmlosen - Terror von Hynkels Sturmtruppen und die Zustände in den Konzentrationslagern für Übertreibung.
Chaplin drehte dem Kriegsverlauf hinterher: Sein Film, in dem die Ghettobewohner ins paradiesische Osterlitsch (Österreich) fliehen, das schließlich von Hynkel besetzt wird, sollte damit enden, dass die Soldaten ihre Waffen niederlegen. Doch als im Juni 1940 Paris kapitulierte, änderte er kurzfristig das Drehbuch und ließ in der Schlussszene den Friseur, der sich bisher nur pantomimisch artikuliert hatte, das Wort ergreifen.
In dieser berühmten, todernsten Rede voller Humanismus wendet sich Chaplin direkt an die freie Welt, predigt Liebe statt Hass, erinnert daran, dass die Finsternis vorübergehen wird und appelliert: »Lasst uns kämpfen für die Freiheit.« Seine pathetischen Worte sind ein filmischer Stilbruch, dürften aber nicht nur damaligen Zuschauern viel gegeben haben.
Charlie Chaplin selbst erklärte Jahre später: »Hätte ich von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können.«