Im Jahr 1960 erschien in Freiburg Salcia Landmanns Buch Der jüdische Witz, das der Schriftsteller und Kritiker Friedrich Torberg im Oktober 1961 in einem Aufsatz in der Zeitschrift »Der Monat« einen »beunruhigenden Bestseller« nannte – in seiner vernichtenden Rezension mit dem Titel »Wai geschrien! oder: Salcia Landmann ermordet den jüdischen Witz«. Torberg warf der Verfasserin darin vor, eine Sammlung schlechter, weder spezifischer noch verbürgter noch jüdischer Witze angelegt und diese bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt zu haben.
Verständnis 1971 erschien in Berlin ein Buch, das leider – wie es oft mit guten Werken geschieht – keinen großen Bekanntheitsgrad erlangte. Dabei ist es die faszinierend geschriebene Replik auf das Landmann’sche Buch. Es stammt von Jan Meyerowitz und heißt Der echte jüdische Witz. Der Autor betont darin, dass das talmudische Denken ein Schlüssel zum tieferen Verständnis des jüdischen Witzes sei.
»Keine andere orthodoxe Religion zeigt so viel Verständnis für die natürlichen Notwendigkeiten des Lebens, und es ist die eigentliche Aufgabe des Talmuds, Leben und Gesetz in gleichberechtigten Einklang zu bringen. Diese Humanisierung des Gesetzes ist das Hauptthema der jüdischen Gesetzesinterpretation. Die humoristische Übertreibung jener Humanisierungsversuche ist das Prinzip des jüdischen Witzes.«
Schinken Ein Beispiel: Ein Jude steht vor einem christlichen Fleischerladen und betrachtet ihm verbotenen Schinken. Schließlich läuft ihm doch das Wasser im Munde zusammen; er geht hinein und erfragt den Preis, worauf in nächster Nähe ein schrecklicher Donnerschlag ertönt. Der Jude dreht sich um und sagt in Richtung der atmosphärischen Störung: »Mer darf doch noch fragen?!«
Das große Spannungsverhältnis zwischen katholischer Kirche und jüdischer Religion ist fast so alt wie das Christentum selbst. Ein Kurzdialog verdeutlicht, wer hier wem rhetorisch den Spiegel vorhält: Priester: »Wann geben Sie endlich diese blöden Speisegesetze auf?« Rabbiner: »Am Tag Ihrer Vermählung, Euer Exzellenz.«
Pflicht Eine weitere Kategorie jüdischer Witze umreißt Siegfried Schmitz im Nachwort zu der von ihm und Max Präger 1927 als Jüdische Schwänke edierten Sammlung: »Zur äußeren Charakteristik des jüdischen Witzes sind die eigenartigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der jüdischen Masse im Osten heranzuziehen … (Es) sei bemerkt, dass es im jüdischen Volkswitz unendlich viele Schnorrergeschichten gibt, weil eben die große wirtschaftliche Not unendlich viele Varietäten des Bettelns hervorgebracht hat und weil in der jüdischen Anschauung die Pflicht, den Armen zu beschenken, eine große Rolle spielt.«
In seinem Aufsatz »The Gift of Alms« hat Samuel C. Heilman 1975 in der Zeitschrift »Urban Life and Culture« verschiedene Bettelarten unter orthodoxen Juden soziologisch untersucht.
Ein klassischer Witz dazu lautet: Zwei Brüder erhalten regelmäßig von Rothschild eine Unterstützung von 100 Mark. Einer der Brüder stirbt, der andere kommt und will 200 Mark kassieren. »Nein«, sagt der Baron, »Ihr Herr Bruder ist verstorben, Sie erhalten 100 Mark.« – »Wer ist der Erbe? Ich oder Sie, Herr Baron?!«
Christ Dass viele jüdische Witze in für Juden unzugänglichen Welten spielen, wertet Jan Meyerowitz als »spielerische Irrealität«. Unter Juden gibt es zum Beispiel keine ritualisierten Duelle, gleichwohl gibt es dazu etliche Witze.
Man amüsiert sich über die Vorstellung, wie die jüdische Mentalität auf solchen Ehrenhandel reagieren würde: Ein Jude und ein Christ haben einen Ehrenhandel, der durch ein sogenanntes amerikanisches Duell gesühnt werden muss.
Diese Art Duell besteht darin, dass die Duellanten aus einer Urne eine weiße und eine schwarze Kugel ziehen müssen; wer die schwarze zieht, muss sich zurückziehen und sich erschießen. Der Jude zieht die schwarze Kugel, geht ins Nebenzimmer, man hört einen Schuss. Alles betet erschüttert, als sich die Türe wieder öffnet. Der Jude steht strahlend da und sagt: »Freut euch meines Glückes, ich habe mich nicht getroffen!«