Fotografie, sagte der Kunsthistoriker Peter Galassi, sei das Medium des Moments. Genau diese Eigenschaft ließ auch Abe Frajndlich zum Fotografen werden. So erklärt er es vor der Eröffnung seiner Ausstellung Chameleon im Fotografie Forum Frankfurt: Beide Eltern hatte er früh verloren, die Vergangenheit wollte er nicht als Last mit sich herumtragen. Er beschloss, sich fortan dem Hier und Jetzt zu widmen.
Abe Frajndlich wurde 1946 im Displaced-Persons-Lager in Zeilsheim als Sohn polnischer Juden geboren. Auch eingeschult wurde er dort noch, bald kehrte die Familie aber Deutschland den Rücken. Über Frankreich und Brasilien gelangte Frajndlich schließlich in die USA, genauer gesagt nach Ohio.
AUSBILDUNG Mit Mitte 20 nahm er eine Kamera in die Hand und hat sie seitdem nicht mehr weggepackt. Bei Minor White machte er seine Ausbildung und porträtierte die Fotografen-Ikone auch selbst ausführlich. Später fotografierte er Editorials, insbesondere auch für das Magazin der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«.
Daneben hat Frajndlich zahlreiche Fotobücher veröffentlicht – eines widmet sich »all meinen fünf Eltern«, wie er sagt. Denen, die ihn auf die Welt brachten, und den Verwandten, bei denen er später aufgewachsen ist.
Mit 160 Bildern vermittelt die Schau einen guten Eindruck, wenngleich wohl nur einen Bruchteil seines umfassenden Werkes. Zu quasi jedem Bild weiß Frajndlich eine Anekdote zu erzählen: Auf dem Weg zu einem befreundeten Fotografen in Italien, dessen Porträt in der Ausstellung ebenfalls präsentiert wird, lichtete er seinerzeit die Thyssen-Bornemiszas für eine Homestory in der deutschen »Harper’s Bazaar« ab. Der Hausherr präsentierte sich dabei stolz in etwas, das verdächtig »wie ein SS-Ledermantel« ausgesehen haben soll.
FOKUS In der Ausstellung bekommt das Adelspaar freilich keine Bühne. Hier stehen fotografische Begegnungen mit bekannten wie unbekannteren Kreativen im Fokus, denen Frajndlich oft sehr nah kommt: Cindy Sherman, Nancy Spero, Gordon Park, James Baldwin, Andy Warhol, Louise Bourgeois, aber beispielsweise auch die Buto-Tänzerin Minami Azu. Ikonisch wurde ein Porträt von Jack Lemmon, auf dem sich der Hollywoodstar zwei Zitronen vor die Augen hält.
Eine besondere Begegnung, erzählt Frajndlich später noch, sei die mit Isaac Bashevis Singer gewesen, dem einzigen jiddischsprachigen Literaturnobelpreisträger: Für das Magazin der FAZ reiste der Fotograf nach Florida, wo er im Hotel zufällig auf seine Mutter traf. Die überredete ihren Sohn, ihn doch zum Shooting mit dem Schriftsteller begleiten zu dürfen.
Nach anfänglichem Zögern sagte er zu. Stundenlang unterhielten sich Bashevis Singer und Frajndlichs Mutter dort auf Jiddisch, Tage später zogen beide zum gemeinsamen Einkaufsbummel durch Miami. Als netter Nebeneffekt wurde nun auch die eigene Tätigkeit ernst genommen. Fotografieren, erkannte Frajndlichs Mutter, sei ja doch gar nicht so schlecht.
Die Ausstellung »Chameleon« von Abe Frajndlich ist bis 17. September im Fotografie Forum Frankfurt zu sehen.