»Dreimal in der Woche ging ich ins Kino. Und das Kino bestimmte mein Leben.« Menachem Golan, am 31. Mai 1929 in Tiberias geboren, entwickelte früh eine Leidenschaft für den Film. Stars wie Humphrey Bogart, Gary Cooper und Elizabeth Taylor hatten es dem Jungen angetan. Später arbeitete er selbst mit Hollywoodgrößen wie Sean Connery, Chuck Norris und Sylvester Stallone, um nur einige zu nennen.
Golans Metier, das lassen diese Namen erahnen, war das Unterhaltungskino und hier besonders der Actionfilm, wobei er gerne politische Stoffe nutzte. 1976, kurz nachdem eine israelische Militäreinheit auf dem Flughafen in Entebbe 102 Geiseln aus den Händen eines deutsch-palästinensischen Terrorkommandos befreit hatte, gelang es Golan, den deutschen Schauspieler Klaus Kinski für seine Verfilmung der Ereignisse zu gewinnen. Kinski spielte Wilfried Böse, ein Mitglied der Terrorgruppe »Revolutionäre Zellen«, deren Aktivisten 1977 mit Anschlägen auf Kinos drohten, die Golans Filmversion der Ereignisse, Operation Thunderbolt, zeigten.
thriller Die Bundesrepublik war zu dieser Zeit für Golan schon ein bekannter Markt. 1965 war die deutsche Kinowelt zum ersten Mal auf den israelischen Produzenten aufmerksam geworden, als er Ephraim Kishons Komödie Salla Shabati auf den Internationalen Berliner Filmfestspielen präsentiert hatte. Kurze Zeit später kehrte Golan zu Dreharbeiten für seinen Film Im Koffer nach Kairo (Einer spielt falsch) zurück. »Israelischer Filmregisseur dreht in Berlin«, berichtete die Frankfurter Rundschau im September 1965 über die Arbeit an dem Spionagefilm mit der deutschen Schauspielerin Marianne Koch, in dem es um die Mitarbeit eines deutschen Wissenschaftlers an ägyptischen Waffensystemen geht.
Das Thema war gerade aktuell geworden, Berichte über westdeutsche Raketenspezialisten in Ägypten hatten 1963/64 in den bundesdeutsch-israelischen Beziehungen für Spannungen gesorgt. Mit seinem Film, so Golan, wolle er »Kritik üben an Wissenschaftlern, und in diesem Fall insbesondere an deutschen Forschern, die ihre Fähigkeiten und Erkenntnisse, ohne sich der Konsequenzen zu vergewissern, ausländischen Mächten zur Verfügung stellen.«
Im Koffer nach Kairo (Einer spielt falsch) war Golans erste israelisch-deutsche Gemeinschaftsproduktion. Es sollte nicht die letzte bleiben. Kurios verlief die bundesdeutsche Premiere seiner Verfilmung von Schalom Aleichems Klassiker Tevye und seine sieben Töchter im Mai 1968. Der israelische Botschafter Asher Ben-Natan hatte anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstages zu einer Vorführung des Films ins Bonner Stern-Theater geladen. Danach umarmte der frühere Bundeskanzler Ludwig Erhard den israelischen Hauptdarsteller Shmuel Rodensky, um ihm so seine Bewunderung auszudrücken. Bei diesem wie bei anderen Filmen war Golans deutscher Partner der Berliner Erfolgsproduzent Artur Brauner. Angeblich hatten sich die beiden Filmenthusiasten bei einer Kneipp-Kur in Bad Wörishofen kennengelernt.
berlinale Der größte Erfolg auf dem Feld deutsch-israelischer Koproduktionen gelang Golan aber wohl mit der Teen-Sex-Komödie Eis am Stiel, deren erster Teil 1978 sogar im Wettbewerb der Berlinale lief. Insgesamt neun Folgen der Pubertätsklamotte produzierte er, die vor allem in Deutschland ein Millionenpublikum fanden.
Unterhaltung, Kitsch und Anspruch; Menachem Golan hatte keine Scheu davor, die Möglichkeiten und Grenzen des Unterhaltungskinos auszuloten, selbst, wenn er und seine Produktionsfirmen damit ein hohes Risiko eingingen. Gelernt hatte er diese Gratwanderung von seinem Lehrer Roger Corman, und mehr noch als auf dem deutschen Markt und in Israel, wusste sich Golan damit auch in den USA als Produzent und Regisseur zu behaupten.
Am 8. August 2014 verlor Menachem Golan vor seinem Haus in Jaffa das Bewusstsein. Die herbeieilenden Rettungskräfte konnten nach Wiederbelebungsversuchen nur noch seinen Tod feststellen. Das israelische Kino verliert mit Menachem Golan einen seiner visionären Gestalter und einen Pionier der heute so vielfältigen deutsch-israelischen Filmbeziehungen.
Dass ein Film wie Waltz with Bashir teilweise in Deutschland produziert wurde, israelische Regisseure wie Eytan Fox und Eran Riklis in der Bundesrepublik drehten und eine deutsche Filmemacherin wie Julia von Heinz ihr Filmprojekt Hannas Reise in Israel realisierte, das alles wäre vielleicht nicht möglich geworden, wenn nicht Golan in den 60er-Jahren mit seinen deutsch-israelischen Gemeinschaftsproduktionen begonnen hätte.
Der Autor unterrichtet an der Hebräischen Universität Jerusalem Filmwissenschaft. Im November erscheint im Berliner Neofelis-Verlag sein Buch »Übergänge – Passagen durch eine deutsch-israelische Filmgeschichte«.