Sprachgeschichte(n)

Vom Griechen zum Gauner

Trotz Rettungsschirm: Spitzbuben stammen nur etymologisch von den Hellenen ab. Foto: imago

Als »Gauner« bezeichnet man Menschen, die auf betrügerische Art andere zu übervorteilen suchen. Synonyme sind: Betrüger, Schwindler oder Spitzbube. Es gibt etliche Wortableitungen und Komposita, etwa »begaunern«, »ergaunern«, »Gaunerkomödie«, »Gaunersprache«. Herbert Pfeifers Das große Schimpfwörterbuch (1996) erwähnt »Gauner im Frack«, »Gauner mit der weißen Weste« und als Scherzwort »Oberammergauner«.

J und G Das G am Anfang ist allerdings vergleichsweise neu. Ursprünglich war der Gauner ein Jauner. »Juonner« wurde in einem rotwelschen Glossar von 1488 der Spieler genannt, 1510 hieß er im hochdeutschen und niederdeutschen Liber Vagatorum »Joner«. Das Kompendium der Bettler bucht 1547 »Joner« für Betrüger und »jonen« für betrügen. Für den »gewerbsmäßigen Betrüger, den Angehörigen einer Verbrecherwelt« ist 1721 der »Jauners-Bursch« belegt, 1722 erstmals der »Jauner«.

Die 1687 in einem Rotwelsch-Vokabular genannte Form »Gauner« wurde 1748 durch Lessings Lustspiel Der junge Gelehrte schriftsprachlich: »Du bist zwar ein Gauner, aber ich weiß auch, man kömmt jetzt mit Betrügern weiter als mit ehrlichen Leuten.« Noch bis ins 19. Jahrhundert variieren die Klassiker: Schiller spricht in der Verschwörung des Fiesco zu Genua (1783) vom »Jauner« und der »Jaunerparole«, in Die Räuber (1781) kommt »Jauner« ebenso vor wie »Gauner«. Johann Peter Hebels Geschichte Vereitelte Rachsucht beginnt noch 1810 mit dem Satz: »Der Amtmann in Nordheim ließ im Krieg in den neunziger Jahren fünf Jauner henken.«

konstantinopel Das ursprüngliche J am Wortanfang verweist auf die Herkunft aus dem Hebräischen. Nach einer Lesart ist die Wurzel das hebräisch-aramäische Verb »janah« (= niederschlagen, beim Geschäft drücken/ übervorteilen). Plausibler allerdings ist die These des aus einer jüdischen Gelehrtenfamilie stammenden Wiener Juristen und Philologen Alfred Landau (1850–1935). Er führte »Gauner« erstmals auf das hebräische Wort »jawan« (= »Grieche«, eigentlich »Ionier«) zurück, das sich abwertend auf die nach der türkischen Eroberung Konstantinopels (1453) heimatlos umherziehenden Griechen bezog.

Im jüdischen Jargon stand es, wie »grecs« im Französischen, für »Falschspieler«. Nachsicht dafür erbat der Sprachforscher A. J. Storfer in Wörter und ihre Schicksale (1935): »Der Landauerschen Etymologie gegenüber ist zu bemerken, dass aber gerade bei den Juden die hohe Schätzung des griechischen Geisteslebens deutlicher im Vordergrund steht als der Gedanke an griechische Hinterlist.«

Meinung

Eine Replik von Eva Menasse auf Lorenz S. Beckhardts Text »Der PEN Berlin und die Feinde Israels«

von Eva Menasse  21.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Kino

Film-Drama um Freud und den Lieben Gott

»Freud - Jenseits des Glaubens« ist ein kammerspielartiges Dialogdrama über eine Begegnung zwischen Sigmund Freud und dem Schriftsteller C.S. Lewis kurz vor dem Tod des berühmten Psychoanalytikers

von Christian Horn  19.12.2024

TV-Tipp

»Oliver Twist«: Herausragende Dickens-Verfilmung von Roman Polanski

Sittengemälde als düstere Bestandsaufnahme über die geschilderte Zeitperiode hinaus

von Jan Lehr  19.12.2024

Literatur

Gefeierter Romancier und politischer Autor: 150 Jahre Thomas Mann

Seine Romane prägten eine Epoche und werden noch heute weltweit gelesen. Zugleich war Thomas Mann auch ein politischer Autor, woran im Jubiläumsjahr 2025 zahlreiche Publikationen erinnern

von Klaus Blume  19.12.2024

Glosse

Kniefall 2.0

Ist Markus Söder jetzt alles Wurst oder erfüllt er nur die Erwartungen der jüdischen Gemeinschaft?

von Michael Thaidigsmann  19.12.2024

Aufgegabelt

Einstein-Lachs-Tatar

Rezept der Woche

 19.12.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der Jüdischen Welt

 19.12.2024

Sehen!

Sigmund Freud und die Religion

Ein fiktiver Disput über die letzten Dinge: Matt Brown verfilmt das Buch von Armand Nicholi mit Anthony Hopkins als Sigmund Freud und Matthew Goode als C. S. Lewis

von Manfred Riepe  19.12.2024