In Berlin ist das Festival Jüdischer Literaturen »Verquere Verortungen« eröffnet worden, das noch bis diesen Donnerstag andauert. Etwa 110 Zuhörer kamen am Dienstagabend ins Literaturhaus in Charlottenburg. Für die kurzfristig verhinderte Rachel Salamander, Leiterin der Literaturhandlung Berlin/München, sprang der Schriftsteller Maxim Biller ein.
Räume Der Geschäftsführer des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES), Ko-Kurator des Festivals und Schriftsteller Jo Frank sagte zur Eröffnung: »In einer politischen Lage, in der eine offen rassistische, antisemitische, islamfeindliche, antifeministische Partei gesellschaftliche Umformung durch Sprache anstrebt, ist es notwendig, dass Literatur nicht nur Räume eröffnet, sondern auch Räume behauptet.«
Insofern sei die Tatsache, »dass wir heute Abend ein Festival Jüdischer Literaturen eröffnen, auch ein Akt der Wehrhaftigkeit, der Selbstbehauptung«.
Die Ko-Kuratorin, ELES-Referentin und Schriftstellerin Eva Lezzi kündigte an: »Was Sie erwarten dürfen, ist ein Festival, bei dem auch die deutschsprachige Literatur multilingual ist, das Jiddische oder die Syntax der Siebenbürger Sachsen in sich birgt, aus dem Hebräischen oder Russischen übersetzt wurde, mit österreichischem Slang um sich wirft.«
Zum Auftakt sagte Maxim Biller im Gespräch mit Frank und Lezzi, ihn interessierten ausschließlich Schönheit und literarische Qualität. »Literatur als Unterstützung von ›Sternchenideologie‹ interessiert mich nicht. Mich interessiert, wenn überhaupt, in der Literatur – was Ideologie mit Menschen macht«, so Biller.
»Literatur als Unterstützung von ›Sternchenideologie‹ interessiert mich nicht. Mich interessiert – was macht Ideologie mit Menschen«, sagte Biller.
Anschließend führten die Autoren Dmitrij Kapitelman und Nele Pollatschek ein Gespräch zum Thema »Unheimliche Familiengeschichten«, moderiert von Janika Gelinek vom Literaturhaus. Kapitelman sagte unter anderem, es gebe viel interessantere Fragen als die eigene Abstammung. »Man sollte schon verstehen, in welche Box man gehört, in welcher Box man ist, aber man sollte dieses Wissen auch nutzen, um aus dieser Box herausklettern zu können«, befand der Autor.
GEGENWART Erwartet werden insgesamt rund 30 Schriftsteller und Künstler, darunter Eva Menasse, Channah Trzebiner, Dani Levy, Max Czollek, Robert Schindel, Adriana Altaras und Dana von Suffrin. Veranstalter sind unter anderem das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk und dessen Kunstprogramm »Dagesh« gemeinsam mit dem Literaturhaus Berlin und der Literaturhandlung Berlin/München.
»Verquere Verortungen« zeigt die Vielfalt gegenwärtiger jüdischer Literaturproduktion unterschiedlichster Genres – von Prosa, Lyrik, Hörspiel und Film, heißt es in der Ankündigung. Themen des Festivals sind unter anderem die Verortung jüdischer Autoren in kulturellen und politischen Debatten der Gegenwart, die Rolle von religiösen Traditionen, Mehrsprachigkeit und Migration und die Frage, ob es das Label »jüdisch« überhaupt gibt. Während des Festivals werden die Installationen »Morphing Sounds«, »Hybride Kalligrafie« und »Global Alphabet« ausgestellt.
Zum Festival erscheint eine Sonderausgabe des Magazins »JALTA. Positionen zur jüdischen Gegenwart« im Neofelis-Verlag. Der Titel lautet »Zwischen Literarizität und Programmatik – Jüdische Literaturen der Gegenwart«. ag
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