Literatur

Volker Kutscher veröffentlicht seinen letzten Rath-Roman

Volker Kutscher, Krimiautor und Schriftsteller Foto: picture alliance/dpa

Es ist eine unruhige Zeit, die Zeichen stehen auf Krieg im September 1938. Wird er wegen der Krise um das Sudetenland ausbrechen? Im Haus der Familie Adenauer in Rhöndorf bei Bonn läuft deswegen das Radio, und Konrad Adenauer, als ehemaliger Kölner Oberbürgermeister politisch von den Nazis kaltgestellt, hört sehr genau zu. Ansonsten geht er seinem bevorzugten Hobby nach, nämlich nützliche Dinge zu erfinden wie einen elektrischen Insektentöter für die Schädlinge im Gemüsebeet.

Der spätere Bundeskanzler hat einen kurzen Gastauftritt in »Rath«, dem zehnten und letzten Band der Krimi-Reihe von Volker Kutscher. Sie setzte 1929, gegen Ende der Weimarer Republik, ein und endet jetzt mit den Ereignissen im November 1938. Auch die Serie »Babylon Berlin«, die auf den Büchern von Kutscher beruht, geht auf das Ende zu, die geplante fünfte Staffel soll auch die letzte sein.

Auf dem Weg nach Deutschland

Es ist das große Finale, für das Kutscher am Ende des bisher letzten Bandes »Transatlantik« (2022) sorgsam seine Figuren platziert hat. Die Brüder Gereon und Severin Rath machten sich auf den Weg nach Deutschland, weil ihre Schwester Ursula sie dringend gebeten hat, nach Köln zu kommen. In Begleitung der beiden: Marion Goldstein, die mit Severin Rath offenbar eine Beziehung eingegangen ist.

Unterdessen schlägt sich Charlotte Ritter, verheiratete Rath, weiter in Berlin als Mitarbeiterin in einem Detektivbüro durch. Die beiden Menschen, für die sie sich mit ganzer Kraft einsetzt, sind ihr ehemaliger Pflegesohn Fritz Thormann und dessen Freundin Hannah Singer, die in den Wittenauer Heilstätten festgehalten wird.

Im vergangenen, neunten Band hat sie intensiv um ihren Ehemann Gereon getrauert. Wie wird sie reagieren, wenn er zurück nach Deutschland kommt? Gibt es ein Happy End für die beiden? Das dürfte sicherlich eine der dringendsten Fragen sein, auf deren Antwort hin die Kutscher-Fans das Buch lesen werden.

Resignieren oder anpassen?

Im Herbst 1938 haben die Menschen fünf Jahre im Nationalsozialismus gelebt. Selbst die, die kritisch oder ablehnend waren, resignieren, passen sich an oder treten sogar in die NSDAP ein. Wie verhalten sich die Personen im Roman »Rath«?

»Es war ja damals Mainstream, Nazi zu sein«, sagt Autor Kutscher. Die Nazis hätten den Menschen ein Heilsversprechen angeboten - wir bereiten euch das Paradies auf Erden - und eine Volksgemeinschaft in Aussicht gestellt, in der alle gleich seien.

»Die Menschen wollten dazu gehören«, sagt Kutscher und verweist auf den jungen Fritz Thormann, der dafür besonders anfällig gewesen sei. »Aus der heutigen Sicht das so pauschal zu verurteilen, finde ich sehr schwierig«, meint der Autor und erklärt: »Das war auch ein wichtiger Grund für mich, warum ich die Romane geschrieben habe, dass man sich in die Menschen hineinversetzt und fragt: ›Wäre ich im Widerstand gelandet?‹ «.

Die Novemberpogrome als Ende

Zu der Volksgemeinschaft hätten aber nur die »arischen« Deutschen gehört, so Kutscher. »Mit der Ausgrenzung fing dann auch die Gewalt an, das will ich auch zeigen«, betont der Autor. »Ausgrenzung führt immer zu Gewalt und Ermordung. Deswegen war es mir wichtig zu schildern, was bei der Pogromnacht passiert ist.«

Die Novemberpogrome von 1938 stellen das Ende der Roman-Reihe dar. Nach unterschiedlichen Schätzungen wurden zwischen dem 7. und 13. November 1938 im damaligen Reichsgebiet zwischen 400 und 1300 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben. Mehr als 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört.

Rund 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Mit den Novemberpogromen begann eine neue Phase der Verfolgung der Juden, die im Holocaust endete.

Untergang der Demokratie

Kutscher erzählt, er habe jetzt fast 20 Jahre in dem Gereon-Rath-Universum verbracht, in dem er den Untergang der Demokratie in der Weimarer Republik und den Aufstieg des Nationalsozialismus zeige.

»Ich glaube nicht, dass Geschichte sich so einfach wiederholt«, sagt er mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse im Osten. »Das ist eine sehr fatalistische Sichtweise, denn sonst könnten wir unsere Hände in den Schoß legen und sagen, jetzt ist es eh zu spät.«

Er fordert dazu auf, um die Demokratie zu kämpfen. Denn: »Geschichte kann aber ein warnendes Beispiel geben. Gerade die Jahre 1933 bis 1945 sind ein warnendes Beispiel. Sie zeigen, wohin eine solche Regierung führt: Tod und Verderben.«

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