Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, hat einen personellen Neuanfang bei der documenta gefordert. Außerdem kritisierte er, dass der Bund angesichts der schon früh aufgekommenen Debatte über Antisemitismus nicht damit gedroht habe, Gelder für die internationale Kunstausstellung zu streichen, sagte Lehrer am Montagabend auf einer Veranstaltung in Köln.
Der Zentralrat der Juden habe immer wieder seine Stimme erhoben. »Aber keiner wollte so recht an die heilige Kuh documenta herangehen.«
Zugleich sagte Lehrer, dass die documenta in Kassel als Idee aus seiner Sicht nach wie vor ein »Erfolgsmodell« sei beziehungsweise wieder eines werden könne. Das werde zwar schwierig nach allem, was passiert sei, aber er sei nicht pessimistisch.
Der Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (Rias NRW), Jörg Rensmann, sprach von einer »reinen antisemitischen Propagandaschau«. Daraus müssten politische Schlussfolgerungen gezogen werden.
Es sei ihm ein Rätsel, wie wenig in dem Skandal unternommen worden sei. Man habe eine »offene Glorifizierung des Terrors gegen Juden« gesehen. »Das ist absolut inakzeptabel in der Bundesrepublik Deutschland.« Es gebe »gewisse Grenzen« der Kunstfreiheit.
Die documenta steht seit Beginn wegen zahlreichen Antisemitismusvorfällen in der Kritik. Zuletzt hatten Experten eine Filmvorführung »Tokyo Reels Film Festival« des Künstlerkollektivs Subversive Film als antisemitisch eingestuft. Für einen Skandal hatte früh die Präsentation des Banners »People’s Justice« des indonesischen Künstlerkollektives Taring Padi mit antisemitischen Darstellungen gesorgt.
Danach wurden etliche als antisemitisch kritisierte Bilder gefunden; darunter judenfeindliche Stereotype in Zeichnungen der Broschüre »Presence des Femmes«. Die Ausstellung läuft noch bis Sonntag.
Die Podiumsveranstaltung in Köln trug den Titel »Die Grenzen des Sagbaren und der Antisemitismus der Mitte«. Sie wurde im Rahmen des Programms »Nie wieder!? Gemeinsam gegen Antisemitismus & für eine plurale Gesellschaft« des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerks (ELES) veranstaltet.
Das Programm will nach eigenen Angaben den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und für eine offene und plurale Gesellschaft fördern. kna/ja
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