Alles begann in einem Klassenzimmer in der 44. Straße, westlich der Fifth Avenue in Manhattan. 35 männliche jüdische Studenten hatten sich dort im Jahr 1971 versammelt, um sich von Rabbiner Bernard Lander sowohl in religiösen als auch in weltli- chen Fächern unterweisen zu lassen. Es war die Keimzelle des Touro-College, das heute an 29 Standorten weltweit, von New York bis Moskau, über 23.000 Studenten ausbildet – Männer und Frauen, Juden und Nichtjuden. Lander, der am Montag der vergangenen Woche im Alter von 94 Jahren in New York an Herzversagen gestorben ist, war der Gründer sowie der erste und bisher einzige Präsident des Touro-College – ein jüdischer Bildungspionier.
Geboren am 17. Juni 1915 in Manhattan, erwarb Bernard Lander seinen Bachelor-Abschluss am Yeshiva College in New York. 1938 wurde er ordiniert und arbeitete einige Jahre als orthodoxer Rabbiner in Baltimore. 1944 kehrte er nach New York zurück und promovierte 1953 an der Colum- bia-Universität mit einer Arbeit über Armut und Jugendkriminalität. Zwei Jahrzehnte lang lehrte er Soziologie an der City University und der Yeshiva University in New York. Ein ganz normaler, vielleicht etwas langweiliger akademischer Lebenslauf.
Bis Lander dann Ende der 60er-Jahre von der katholischen University of Notre Dame den Auftrag bekam, die Ursachen der Studentenrevolte an den amerikanischen Universitäten zu erforschen. Im Laufe dieser Studie stellte Lander fest, dass zahlreiche der studentischen Wortführer Juden waren. Und er zog daraus den Schluss, dass sich viele junge Juden an den Universitäten der USA ausgegrenzt fühlen. Die Idee für das Touro-College war geboren. Lander wollte Wissenschaft und soziales Engagement verbinden und jüdischen Studenten die bestmögliche Bildung vermitteln.
Erfolg Dies ist ihm gelungen, wie die beispiellose internationale Erfolgsgeschichte des Touro-College zeigt. 2003 entstand auch in Berlin ein Touro-Ableger, der seit 2006 staatlich anerkannte Hochschule ist. 2005 gründete Lander in Berlin außerdem das »Lander Institute for Communication about the Holocaust and Tolerance«. Dieses Institut bietet Europas ersten und einzigen Master-Studiengang zur Vermittlung der Schoa und der NS-Geschichte an.
»Wir bedauern den Verlust sehr«, sagt Sara Nachama, Vizepräsidentin und Direktorin des Touro-College Berlin zum Tod Bernard Landers. »Obwohl nicht alle Berliner von der Idee überzeugt waren, dass ein jüdisch-amerikanisches College gerade in Berlin erfolgreich sein könnte, hat Dr. Lander mich sehr schnell von seiner Vision begeistern können.« Als Visionär sah sich Lander zeitlebens selbst. Jedoch, wie er der jüdischen Zeitschrift The Forward einst anvertraute, als »Visionär mit Bodenhaftung«.