Sprachgeschichte(n)

Viel Glück und viel Segen

Wie aus der hebräischen Redewendung »Hazloche un Broche« »Hals- und Beinbruch« wurde

von Christoph Gutknecht  20.07.2015 18:32 Uhr

Auf die Plätze, fertig, los: Na dann – Hals und Beinbruch! Foto: Thinkstock

Wie aus der hebräischen Redewendung »Hazloche un Broche« »Hals- und Beinbruch« wurde

von Christoph Gutknecht  20.07.2015 18:32 Uhr

Dass einem manche Menschen aus Neid und Missgunst nichts Gutes wünschen, gehört zu den Lebenserfahrungen, die schon Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen 1668 in seinem Abenteuerroman Simplicissimus Teutsch beklagte: »Meine Missgönner wünschten mir ohn’ Zweifel, dass ich Hals und Bein brechen sollte, weil sie mir’s nicht gleichtun konnten.«

Ebenso deftig klangen fast 250 Jahre später die negativen Bestrebungen in Hermann Löns’ Liebesgeschichte Das zweite Gesicht (1911): »Sie spuckte ihm in die Hacken und warf ihm ihren Schuh in den Rücken und wünschte ihm Pech, den ganzen Tag und Hals- und Beinbruch, so viel es gibt, und lauter schlechten Anblick, und zwischen jedem, was sie tat und sagte, warf sie dreimal die Türe zu.«

Weidmannsheil Wenig freundlich ist auch, was Karl Bleibtreu schildert: »›Lass mich zufrieden mit der Fopperei!‹, brauste Otto ärgerlich auf. – ›Ich habe keine Zeit für schmierige Chosen, muss ins Examen steigen.‹« Auf diese Äußerung in Bleibtreus 1915 publiziertem Roman Bismarck antwortete der Gesprächspartner: »Weidmannsheil nebst Hals- und Beinbruch! Gratuliere voraus zum Durchfall!« Die Replik ist äußerst ironisch, weil es nicht schmeichelhaft ist, dem Kandidaten das Scheitern im Examen zu prognostizieren und weil man jemandem mit »Hals und Beinbruch« normalerweise Erfolg wünscht.

Solche geprägten Wendungen zählen zu den Sprachformeln, die individuelle, zum Teil dem Wortsinn völlig konträre Aussageabsichten transportieren. Amüsiert beklagte J. W. Petersen, ein Mitarbeiter des Morgenblatts für gebildete Stände, im Januar 1914 in den »kleinen Sprachbemerkungen« der Zeitschrift auch die mangelnde Logik des Spruchs: »Hals und Beinbrechen ist seine sehr gewöhnliche, aber ganz ungereimte Redensart. Es sollte heißen: Bein und Hals brechen. Denn ist einmal der Hals gebrochen, so ist vom Beinbruch keine Rede weiter.«

Logik spielt bei solchen Formeln keine Rolle. Wegen ihres spezifischen Bedeutungsumfeldes kann der Sprecher sicher sein, dass die Adressaten diese bei Künstlern, Sportlern und Jägern beliebte Wunschformel adäquat verstehen. In einer lustigen Szene verdeutlichte dies Fritz Skowronnek 1928 in seinem Roman Der Wagehals: »Gegen Abend ließ der alte Herr sich seinen Jagdwagen anspannen, um zum Schnepfenstrich zu fahren. Als er mit dem umgehängten Gewehr in die Haustür trat, flog ihm ein Pantoffel nach, und Abromeitene rief aus der Küchentür laut und energisch: ›Hals- und Beinbruch, Herr Forstmeister‹, und als der Wagen durch das Hoftor fuhr, stand da das blitzsaubere, blutjunge Stubenmädel, knickste artig und sagte verschämt: ›Weidmannsheil.‹ Schrader schmunzelte vergnügt. Er war nicht abergläubisch, gar nicht, aber es gab doch so ein angenehmes Gefühl, wenn diese Formalitäten erfüllt wurden.«

Rotwelsch Es gab viele Deutungen dieses eigenartigen Wunsches. Salcia Landmann führte in ihrem Buch Jiddisch. Abenteuer einer Sprache zur richtigen Lösung: »Die meisten vermuten hier den alten Aberglauben, wonach man das Gute nur herbeibeschwören kann, indem man scheinbar das Böse herbeiwünscht.

Tatsächlich ist es abermals das Rotwelsch, genauer: reines Hebräisch, heißt ursprünglich ›hazlóche un bróche‹ (hazlachá = Glück und b’rachá = Segen) und wird auch heute noch von Juden in dieser ursprünglichen Formel hebräisch wie jiddisch oft verwendet.« Deutsche Zuhörer bewahrten die missverstandene Glücksformel in verballhornter Form als »Hals- und Beinbruch«.

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024