Es kann sein», so las man vor einiger Zeit im «Spiegel» über den griechischen Regierungschef, «dass sich Tsipras verzockt, indem er die Konsequenzen eines einseitigen Schuldenschnitts unterschätzt.»
Darauf, dass sich das «Zocken» und seine Wortfamilie zu einem Charakteristikum des Zeitgeistes entwickelten, wies schon vor einigen Jahren die eidgenössische Volksinitiative «gegen die Abzockerei» hin – als Reaktion auf als exorbitant empfundene Vergütungen von Managern.
Börse In Wörterbüchern spiegelt sich das Wortfeld um «zocken, abzocken, verzocken, Zocker(ei)» uneinheitlich wider: Der Rechtschreib-Duden (1986) und das Duden-Herkunftswörterbuch (2001) führen das Verb «zocken» gar nicht auf, für das Variantenwörterbuch des Deutschen (2004) ist es bei uns umgangssprachlich und steht, auch im übertragenen Sinne, für «Glücksspiele oder riskante Börsengeschäfte betreiben», im saloppen Gebrauch für «risikofreudig agieren», im Computerspieler-Jargon für «(ein Computer- oder Konsolenspiel) spielen».
Die Entlehnung erfolgte, wie Siegmund A. Wolfs Wörterbuch des Rotwelschen (1993) verzeichnet, aus dem westjiddischen «zchoken» für «lachen», welches seinerseits dem hebräischen Lexem «sehoq» (für «spielen», eigentlich «lachen») entstammt. Die Schrift des antisemitischen preußischen Gerichtsbeamten A. F. Thiele mit dem Titel Die jüdischen Gauner in Deutschland (1842) nennt die Beispiele «Se zchokken jom we jom» (= «sie spielen Tag für Tag») und «linker zchokker» (= «falscher Spieler»).
Der Historiker Andreas Nachama resümiert in seinem amüsanten Buch über Jiddisch im Berliner Jargon oder Hebräische Sprachelemente im deutschen Wortschatz (2003): «Wie immer sich das Zocken ableitet, gerade in diesen Tagen gibt es Zeitgenossen, die mächtig abzocken, was im Sinne von absahnen zu verstehen ist.»
Knete Ähnlich erläutert Eike Schönfelds Wörterbuch des Neudeutschen (1995) «abzocken» als «mit nicht ganz legalen Mitteln einnehmen, neuerdings nicht mehr nur im Glücksspiel, sondern als: jemanden abzocken, ausnehmen: Theo hat es tatsächlich wieder geschafft, beim Sozialamt Staatsknete abzuzocken».
Hermann Pauls Deutsches Wörterbuch (2002) stellt dazu noch das attributiv, prädikativ und adverbial gebrauchte Adjektiv «abgezockt», eine Konversion des Partizips II von «abzocken». Die Semantik dieses seit Anfang der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts gebrauchten Neulexems reicht Dieter Herbergs Untersuchung über Neologismen der 90er Jahre (2004) zufolge von «(allzu) wendig» über «taktisch geschickt und kühl abwägend alle Möglichkeiten nutzend» bis «clever/smart/raffiniert».
Beim Wertungsaspekt hat man zu differenzieren: Beim Sport deutet die Verwendung auf eine neutrale bis anerkennende Position des Sprechers: «Wir haben durch unsere Auftritte im Pokal dazugelernt und sind viel abgezockter geworden.»
Bezieht sich «abgezockt» auf Wirtschaft, Kultur oder Politik, so verraten die Belege meist eine negativ-abwertende Einstellung, wie auch dieses Zitat aus der Wochenzeitung «Die Zeit» verrät: «Was haben wir ihm (dem Banker) nicht alles angedichtet? Abgezockter Yuppie, eiskalter Betrüger, neureicher Blender.»