Bei Pilzen denken viele wohl zuerst an eine cremige Champignonsuppe, ein leckeres Steinpilzrisotto oder eine feine Pasta mit Pfifferlingen. Oder auch an Märchen, Gedichte und Sagen, in denen immer wieder der Fliegenpilz auftaucht, der neben dem Hufeisen oder dem vierblättrigen Kleeblatt als eines der beliebtesten Glückssymbole gilt. Und da sind natürlich noch die »Magic Mushrooms«, jene kleinen Knubbel, denen eine halluzinogene Wirkung zugesprochen wird. Doch als potenzielle Klimaretter hat sie wohl kaum jemand auf dem Radar.
Genau das soll sich nun ändern. Denn Pilze sind muntere Kohlenstoffdioxid-Konsumenten: Sie bilden überall auf der Welt ein unterirdisches Netzwerk gigantischen Ausmaßes, das mit Bäumen und Pflanzen eine Art Deal eingegangen ist. Was wir davon sehen können, sind nur die oberirdischen Fruchtkörper, die bei uns dann auf dem Teller landen. Aber bereits ein einziger Pilz kann sich auf einer Fläche von mehreren Hundert Quadratmetern ausbreiten, und ein Hektar Waldboden bringt es auf sechs Tonnen Pilzfäden mit einer Länge von 100 Milliarden Metern.
GEFLECHTE Diese riesigen Geflechte versorgen Wälder, Wiesen und auch so manche Felder mit wichtigen Nährstoffen, darunter auch Stickstoff und Phosphor. Im Gegenzug bekommen sie dafür reichlich CO2, das dann gespeichert wird. Das alles ist möglich, weil die Zellfäden der Pilze, die sogenannten Hyphen, mit den Feinwurzelsystemen von Bäumen und Pflanzen verbunden sind. Mykorrhiza heißt diese Form der Symbiose in der Natur.
Wie das Ganze funktioniert und zusammenhängt, will jetzt eine Initiative der Society for the Protection of Underground Networks (SPUN) genauer herausfinden, die von dem britischen Milliardär und Philanthropen Jeremy Grantham finanziert wird.
Die Pilznetzwerke sind ähnlich wie der Regenwald in Gefahr.
»Diese Pilznetzwerke gehören zu den Grundpfeilern allen Lebens auf der Erde«, bringt es Mark Tercek auf den Punkt. »Wenn Bäume die ›Lungen‹ des Planeten sein sollen, dann sind sie so etwas wie seine ›Kreislaufsysteme‹«, sagte das Mitglied der SPUN-Geschäftsführung der britischen Zeitung »The Guardian«. Je nach Schätzung saugen sie zwischen fünf und 17 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr auf, weshalb sie für den Klimaschutz unerlässlich sind. Und was überrascht: Trotzdem gibt es wenig Wissen darüber.
Dabei sind die Pilznetzwerke ähnlich wie der Regenwald in Gefahr. Denn die Versiegelung großer Flächen, Umweltverschmutzung oder der Einsatz von Pestiziden machen auch ihnen zu schaffen.
SCHUTZKORRIDORE Deshalb will SPUN einige davon kartografisch erfassen, um die am stärksten bedrohten Gebiete und Ökosysteme identifizieren zu können. Auf diese Weise hätte man Informationen, um die Einrichtung entsprechender Schutzkorridore vorzuschlagen, in denen wie in Naturschutzgebieten bestimmte Regeln gelten sollen, beispielsweise ein Bauverbot. Zehn Regionen auf der Welt wollen die Wissenschaftler dabei unter die Lupe nehmen, unter anderem in Kanada, Marokko, Tibet sowie Russland und Kasachstan.
Aber auch der Negev in Israel ist darunter, und zwar aus gutem Grund, wie Isabella Grishkan von der Universität Haifa zu berichten weiß. »Trotz der Unwirtlichkeit haben die Wüstenböden eine vergleichsweise reiche kultivierbare Pilzvielfalt bewahrt – mehr als 420 Arten«, schrieb sie bereits 2019 in ihrem Fachbeitrag »Fungi in Extreme Environments: Ecological Role and Biotechnological Significance«.
»Diese Vielfalt hat bemerkenswerte Anpassungsstrategien an den rauen Wüstenstress gezeigt, die sich in verschiedenen phänotypischen und biologischen Merkmalen widerspiegeln.« Und weil der bis dato wenig besiedelte Negev zunehmend erschlossen wird, ist es wichtig, bereits frühzeitig Maßnahmen einzuleiten. Denn das geheime Leben der Pilze braucht dringend Schutz, auch in Israel.