Erinnerung

»Vergiss-mein-nicht«

Ester Goldstein wurde 1926 in der Joachimstraße in Berlin geboren. Das jüdische Mädchen begann mit elf Jahren, ein Poesiealbum zu führen, in dem Familienmitglieder, Lehrer und Freunde Widmungen hinterließen. Ihre Schulfreundin Sonja Strenger, die 1943 nach Auschwitz deportiert wurde und deren weiteres Schicksal unbekannt ist, schrieb ihr noch in »goldener Schulzeit« im Jahr 1937 in das kleine Büchlein: »Vergiss-mein-nicht«. 1937 der erste Eintrag, 1942 der letzte. In dem Jahr wurde Ester Goldstein nach Riga deportiert, wo sie ums Leben kam.

Dieses Poesiealbum ist jetzt erstmals im Internet zu sehen, es ist unter dem Titel »Vergiss-mein-nicht« eines der Dokumente der neuen deutschsprachigen Webseite von Yad Vashem. Das Internetangebot der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte entstand mit Unterstützung der Friede Springer Stiftung und wurde am Montag im Axel-Springer-Haus der Öffentlichkeit vorgestellt.

Wissensbildung Dabei betonte die Vorsitzende des Freundeskreises von Yad Vashem Jerusalem in Deutschland, Hildegard Müller: »Das neue Angebot kann einen wesentlichen Beitrag zur Wissensbildung leisten.« Zugleich gehe es auch um die Verbindung zur jüngeren Generation. »Viele erhalten so, ohne Sprachbarriere, erstmals einen direkten Zugang zur Arbeit von Yad Vashem«, so Müller. Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman nannte die deutschsprachige Internetseite ein »Werkzeug der Erinnerung und des Lernens«.

Seit 1999 ist Yad Vashem bereits online, hat jährlich rund zehn Millionen Besucher auf der Webseite, die erst in hebräischer und englischer Sprache erschien, dann auch in Arabisch, Farsi, Spanisch und Russisch. »Dass wir das Angebot nach einjähriger Vorbereitungszeit nun auch in deutscher Sprache haben werden, ist für uns von besonderer Bedeutung«, sagte Dana Porath, Content-Managerin von Yad Vashem.

Informationen Die Internetseite bietet unter anderem historische Informationen, Videovorträge, dokumentarisches Filmmaterial, Zeitzeugenaussagen und Unterrichtsmaterialien über den Holocaust. Ein virtueller Rundgang über das Gedenkstättengelände in Jerusalem ist möglich. In der Zentralen Datenbank sind zudem die Namen von 4,2 Millionen Holocaustopfern und Informationen zu 500 Deportationstransporten zu finden.

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, begrüßt das Projekt. Er hofft, dass es vor allem im schulischen Unterricht genutzt wird: »Gerade anhand der dortigen Informationen, anhand der über vier Millionen aufgeführten Namen der Opfer, holt man diese aus ihrer Anonymität zurück und erinnert daher nicht nur an abstrakte Zahlen, sondern an die Menschen, die auf so brutale Weise erst zu Opfern gemacht wurden.« Wissen und Aufklärung über die Schoa sind und bleiben unsere Verantwortung, die wir aus der Vergangenheit ziehen und in die Zukunft tragen, so Graumann weiter. »Yad Vashem öffnet unsere Herzen, um mitfühlen zu können, was wir niemals verstehen werden. Dass das nun endlich auch auf Deutsch geschieht, ist von unschätzbarem Wert.«

Ernst Cramer Im Rahmen der Präsentation wurde Publizist Erst Cramer gewürdigt, der an diesem Tag 100 Jahre alt geworden wäre. Er war Journalist, Wegbegleiter Axel Springers sowie langjähriger Vorstandsvorsitzender der Axel Springer Stiftung. Mathias Döpfner erinnerte an den Mann, »der das Haus über fünf Jahrzehnte geprägt hat«. Dem Überlebenden des KZ Buchenwald und späteren US-Soldaten sei es ein besonderes Anliegen gewesen, die deutsch-israelische Freundschaft in die nächste Generation zu tragen. »Die Funktion als Brückenbauer konnte er aus tiefstem Herzen wahrnehmen«, sagte der Springer-Vorstandsvorsitzende Döpfner. Insofern sei es ein schönes Symbol, die Erinnerung an Ernst Cramer mit der Präsentation der deutschsprachigen Internetseite von Yad Vashem zu verbinden. ddk

Deutschsprachige Yad-Vashem-Internetseite: www1.yadvashem.org/yv/de/index.asp

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