Deutschlandtour

Urlaub zu Hause

Typisch deutsch? Foto: Getty Images / istock

Sie wollen morgens an der Klagemauer beten, nachmittags im Meer schwimmen und abends in Jaffo einen süßen Tee mit Minze schlürfen? Nur zu! Nach wenigen Flugstunden sitzen Sie schon am Gordon Beach und freuen sich des Lebens. Wäre da nicht ein Problem: Sie denken, handeln und fühlen ökologisch. Dann kommen Sie nicht um die existenzielle Frage herum: Wie lässt sich ein nachhaltiges Leben mit einem Abstecher nach Israel vereinbaren?

Wenn Sie fair reisen wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich mit dem E-Scooter oder gleich zu Fuß auf den Weg ins Gelobte Land zu machen. Allerdings darf bezweifelt werden, dass der Ewige Sie, wie zu Moses Zeiten, tagsüber mit einer Wolkensäule und des Nachts mit einer Feuersäule sicher führen wird.

Spätestens dann, wenn Sie wegen Ihres CO2-Ausstoßes Panikattacken erleiden, sollten Sie einen mit grünem Bio-Siegel zertifizierten Psychotherapeuten aufsuchen.

albtraum Bevor die Reise als Albtraum schon in Rosenheim endet, sollten Sie ein paar andere Möglichkeiten durchdenken. Besonders, wenn Sie das schlechte Gewissen plagt und das Grübeln um Ihren ökologischen Fußabdruck Ihnen den Schlaf raubt. Spätestens dann, wenn Sie wegen Ihres CO2-Ausstoßes Panikattacken erleiden, sollten Sie einen mit grünem Bio-Siegel zertifizierten Psychotherapeuten aufsuchen.

Eine nicht minder verlockende Alternative ist ein Urlaub im eigenen Land. Lernen Sie als Jude die fantastischen Naturschönheiten der schneebedeckten Alpengipfel oder die charmanten Heilbäder an der Ostsee kennen. Die Vorzüge eines Urlaubs in Deutschland liegen auf der Hand: Sie müssen nicht vor Brandbomben aus Gaza fliehen – und vor allem: Sie haben keine negative Öko-Bilanz. Daher seien Ihnen hier einige unfaire Tipps für Urlaubsziele in der näheren Umgebung genannt.

Sind Sie mehr der Abenteuertyp, der nach Abwechslung dürstet? Dann tragen Sie zur Biodiversität bei und besuchen Sie die Sächsische Schweiz, wo sich Fuchs und Hase, Skinheads und Neonazis sanft »Gute Nacht« sagen. Bei betörenden Uhu-Rufen können Sie auf einsamen Wehrhöfen scheue völkische Siedler erblicken, die ihre Trutzburg mit Blut und Schweiß vor einer drohenden Flüchtlingsinvasion schützen.

bier Zählen Sie hingegen eher zu den bildungshungrigen Hobbyhistorikern? Dann fahren Sie nach Bayern in die frühere Welthauptstadt der Bewegung, wo Sie in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau im Schatten der Vergangenheit Ihren Wissensdurst mit kühlem, fair gehandeltem Bier löschen können.

Wie lässt sich nachhaltiges Leben mit einer Reise nach Israel vereinbaren?

Stehen Sie mehr auf Kulturreisen? Sind Sie gar eitel und brauchen Beachtung? Dann kaufen Sie sich ein Bahnticket nach Marzahn-Hellersdorf, Berlins spannungsgeladene Neonazi-Hochburg. Setzen Sie dort eine Kippa mit Davidstern auf. Schon nach wenigen Augenblicken werden Sie als Vorkommnis in die gesonderte Statistik über judenfeindliche Straftaten aufgenommen werden.

Am Abend können Sie mit dem Spartarif nach Mecklenburg weiterreisen, um dort auf die Pirsch zu gehen und zu studieren, wie die Angst vor dem Fremden grassiert, kontaktfreudige Volksdeutsche Flüchtlingsunterkünfte belagern und Jagd auf kriminelle Ausländer machen.

bio-seife Blühen Sie eher in fremden Kulturen auf? Dann sollten Sie auf Erkundungstour über geheimnisvolle Hinterhöfe gehen, in denen es nach Kardamom und Eukalyptus riecht, wo handgefertigte Bio-Seife aus Aleppo verkauft wird und Salafisten den Koran verschenken. Hier ist Bonn und speziell der Ortsteil Bad Godesberg mit seiner blühenden Moscheenlandschaft der richtige Ort für Sie.

Zizit und Streijmel sollten Sie vielleicht ausnahmsweise im Hotel lassen – aus dem Abenteuer soll ja keine Gefahr für Leib und Leben werden. Wollen Sie sich allerdings in Form halten, nehmen Sie Ihre Utensilien mit. Wenn es zum Zusammenprall kommt, heißt es dann nur: Augen zu und weg! So halten Sie sich fit und polieren zugleich Ihre Öko-Bilanz auf, statt sie zu ruinieren.

Interessieren Sie sich für den interkulturellen Austausch, müssten Sie sich dann doch wieder nach Berlin bewegen. Der Al-Quds-Tag, wenn am Kurfürstendamm alljährlich zur Befreiung Jerusalems von den zionistischen Besatzern aufgerufen wird, bietet Ihnen unverwechselbare kulturelle Begegnungen. Im Hier und Jetzt können Sie die gewaltfreie Kommunikation mit Hisbollah-Anhängern und militanten Rechtsextremisten üben. Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich, zu diesem Anlass die Israel- und die Queer-Fahne hochzuhalten – wenn möglich, länger als drei Minuten. Rufen Sie laut zur Solidarität mit Israel auf! Sie werden zeitnah am eigenen Leib erfahren, wie eine Woge von Sympathie sie überrollt.

Sollte Ihnen keiner dieser Tipps zusagen, bleiben Sie einfach daheim und lesen Sie genüsslich den brandaktuellen Verfassungsschutzbericht.

insiderwissen Sollte Ihnen keiner dieser Tipps zusagen, bleiben Sie einfach daheim und lesen Sie genüsslich den brandaktuellen Verfassungsschutzbericht voller Insiderwissen und spannender Plots.

Vom Sofa aus können Sie gemütlich nicht nur Ihre jüdischen Neurosen weiter pflegen, sondern auch Ihren Energie- und Rohstoffverbrauch drastisch mindern. So bleiben Sie definitiv im Rahmen ihres klimaverträglichen Jahresbudgets.

Und wenn Sie die Sehnsucht nach Israel dennoch packt? Dann geben Sie sich einen Ruck und greifen Sie auf den altbewährten Ablasshandel zurück. Durch eine Ausgleichszahlung können Sie auf elegante Weise ihren CO2-Verbrauch neutralisieren – und Ihre Spende von der Steuer absetzen.

Der Autor ist Psychologe und Stressberater in München.

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024

Meinung

Maria und Jesus waren keine Palästinenser. Sie waren Juden

Gegen den Netflix-Spielfilm »Mary« läuft eine neue Boykottkampagne

von Jacques Abramowicz  20.11.2024

Berlin

Von Herzl bis heute

Drei Tage lang erkundet eine Tagung, wie der Zionismus entstand und was er für die jüdische Gemeinschaft weltweit bedeutet

 20.11.2024

Antisemitismus

»Verschobener Diskurs«

Nina Keller-Kemmerer über den Umgang der Justiz mit Judenhass und die Bundestagsresolution

von Ayala Goldmann  20.11.2024

New York/Malibu

»Mein Name ist Barbra«

Die Streisand-Autobiografie erscheint auf Deutsch

von Christina Horsten  20.11.2024