US-Lyrikerin

»Unverkennbare poetische Stimme«: Trauer um Nobelpreisträgerin Glück

2020 war Louise Glück mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Sie habe eine »unvergleichliche poetische Stimme«, hieß es damals zur Begründung. Nur drei Jahre später ist Glück nun gestorben

von Christina Horsten  14.10.2023 23:58 Uhr

Louise Glück (2016) Foto: dpa

2020 war Louise Glück mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Sie habe eine »unvergleichliche poetische Stimme«, hieß es damals zur Begründung. Nur drei Jahre später ist Glück nun gestorben

von Christina Horsten  14.10.2023 23:58 Uhr

Trauer um die Literaturnobelpreisträgerin Louise Glück: Die US-Lyrikerin starb im Alter von 80 Jahren, wie der Chef des Verlags Farrar, Straus and Giroux, Jonathan Galassi, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in New York sagte. Die Todesursache sei Krebs gewesen, berichtete die »New York Times« unter Berufung auf Richard Deming, einen Kollegen von Glück an der Englisch-Fakultät der Elite-Universität Yale.

Zahlreiche Fans, Freunde und Kollegen verliehen ihrer Trauer im Internet Ausdruck. »Wir sind am Boden zerstört«, hieß es beispielsweise von den Herausgebern der Zeitschrift »Yale Review« beim Kurznachrichtendienst X, der früher Twitter hieß. Glück sei Lehrerin und Mentorin von vielen Menschen an der Universität gewesen.

2020 war Glück mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden - für viele damals überraschend. Experten hatten ihren Namen vorab nicht auf dem Zettel. Die Schwedische Akademie begründete die Auswahl mit der »unverkennbaren poetischen Stimme«, mit der Glück »mit strenger Schönheit die individuelle Existenz universell« mache. Die Stimme von Glück sei »aufrichtig, kompromisslos und signalisiert, dass diese Poetin verstanden werden will. Aber es ist auch eine Stimme voller Humor und beißender Scharfsinnigkeit«, hieß es in der Begründung. Der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck kommentierte die Entscheidung der Akademie damals als »Überraschung, aber keine schlechte«.

»Erst habe ich Panik bekommen, dann dachte ich, dass ich halluziniere«, sagte Glück in einer ihrer ersten Reaktionen auf den Preis. »Danach fühlte ich mich unglaublich geehrt.« Sie überlegte, mit dem Preisgeld ein Haus im US-Bundesstaat Vermont zu kaufen - zugleich äußerte die Lyrikerin, die sehr ungern im Scheinwerferlicht stand, aber auch Sorge, dass sich ihr Alltag durch den Preis verändern werde.

Glück wurde 1943 in New York geboren und wuchs als Tochter eines Unternehmers und einer Hausfrau in Long Island auf. Ihre Großeltern väterlicherseits waren aus Ungarn eingewanderte Juden. Als Kind litt Glück unter Essstörungen, Psychotherapie war lange wichtiger Teil ihres Lebens.

Schon als Mädchen schrieb sie Gedichte. Nach ihrem Debüt »Firstborn« (1968) veröffentlichte sie zahlreiche weitere Gedichtbände sowie mehrere Bücher mit Essays über Poesie. Im Luchterhand-Verlag sind vier ihrer Werke auf Deutsch erschienen: »Wilde Iris«, »Averno«, »Winterrezepte aus dem Kollektiv« und »Treue und edle Nacht«.

»Ich war ein einsames Kind«, sagte Glück in einem ihrer seltenen Interviews. »Meine Interaktionen mit der Welt als soziales Geschöpf waren unnatürlich, gezwungen, und ich war am glücklichsten, wenn ich gelesen habe.« Nach der Schule besuchte sie zeitweise das Sarah Lawrence College und die Columbia University in New York. Später lehrte Glück, die zweimal verheiratet war und einen Sohn hatte, an verschiedenen Universitäten, zuletzt an der Elite-Universität Yale.

Trotz ihrer Ablehnung des Scheinwerferlichts hatten sich schon vor dem Nobelpreis die öffentlichen Auszeichnungen für Glück gehäuft: Offizielle Dichterin der Kongressbibliothek in Washington, Guggenheim-Stipendien, Pulitzer-Preis und National Book Award gehörten dazu.

Ihr erster 1968 erschienener Gedichtband »Firstborn« sei ihr heute eher peinlich, sagte Glück einmal. »Ich schaue ihn mir jetzt an und er scheint mir dünn und uninformiert und gefüllt von dem Wunsch zu schreiben. Das nächste Buch zu schreiben - »The House on Marshland« - hat etwa sechs Jahre gedauert und ich denke, von diesem Punkt an bin ich gewillt, meinen Namen drauf zu setzen.«

Sie schreibe auf zwei ganz unterschiedliche Arten, erzählte Glück weiter. Entweder ganz langsam oder ganz schnell. »Es gibt die Gedichte, die immer und immer wieder neu bearbeitet werden, auseinandergenommen werden, aber in sehr komprimierter Zeit. Und dann gibt es Gedichte mit widerspenstigen Wörtern, Phrasen, Dinge, von denen ich denke, dass sie besser sein könnten.« Wichtig sei aber die stetige Veränderung: »Sobald ich mich selbst fassen und beschreiben kann, will ich sofort das Gegenteil tun.«

Glück sei eine »fast schon geisterhafte, immer schwarz angezogene Figur«, schrieb die »New York Times« einmal. »Ihre Gedichte schicken einen in die Welt hinaus, ein bisschen kälter, aber komplett wach, mit ihrer Stimme nachklingend im Kopf.«

In Glücks Texten geht es fast immer um Emotionen und Gedanken - um Einsamkeit, Familienbeziehungen, Liebe, Verzweiflung, Scheidungen und Tod - oft durchwirkt mit klassischen antiken Mythen und Sagen. Die Spezialität der Poetin sei »genau die Sache, die nur lyrische Dichtung schaffen kann, und die zu den intimsten, nicht-öffentlichsten Dingen gehört, die Wörter schaffen können: Die ganz spezielle Musik der Gedanken zu imitieren«.

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