Jeder kennt sie: die unappetitlichen Schreckensfotos auf Zigarettenschachteln. Seit 2016 gibt es diese Bilder von möglichen Gesundheitsschäden, die durch das Rauchen entstehen können. Gezeigt werden frische Operationsnarben nach der Entfernung eines Lungenkarzinoms oder amputierte Beine aufgrund verstopfter Arterien. Dazu gehört ein knapper Erklärungstext.
14 dieser gesundheitsbezogenen Warnhinweise sind im Umlauf. Aber wenn man die Ergebnisse einer aktuellen Studie israelischer und amerikanischer Wissenschaftler berücksichtigt, müsste bald ein weiterer hinzukommen. Denn ein Team aus beiden Ländern wollte die Auswirkungen des Nikotinkonsums von Schwangeren näher unter die Lupe nehmen.
Die Daten dafür stellten die amerikanischen »Centers for Disease Control and Prevention« (CDC) zur Verfügung. Erfasst waren darin 222.408 Frauen, die in den Jahren zwischen 2009 und 2015 ein Kind auf die Welt gebracht hatten. 12.897 von ihnen, also 5,3 Prozent, entwickelten eine sogenannte Typ-4-Diabetes – besser bekannt als Schwangerschaftsdiabetes.
RISIKOFAKTOREN Das war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2 in der Familie oder das hohe Alter der werdenden Mutter waren schon länger als Ursachen bekannt. Doch nun kommt der Nikotinkonsum hinzu, und der hat es in sich. Frauen, die während der Schwangerschaft die gleiche oder eine größere Zahl an Zigaretten pro Tag rauchten als davor, wiesen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit auf, an Typ-4-Diabetes zu erkranken. Um satte 50 Prozent stieg ihr Risiko.
Selbst wer vor der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufhört, hat ein erhöhtes Risiko.
Sogar diejenigen, die es geschafft hatten, schon vor Beginn der Schwangerschaft die Finger endgültig vom Glimmstängel zu lassen oder deutlich weniger zu rauchen als sonst, neigten häufiger dazu, eine solche Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln. Bei ihnen lag der Wert um 22 Prozent höher. Die Ergebnisse wurden nun in der jüngsten Ausgabe des Fachblatts »Obstetrics & Gynecology« veröffentlicht.
ENTWÖHNUNG »Idealerweise sollten Frauen immer mit dem Rauchen aufhören, bevor sie schwanger werden wollen«, betont Yael Bar-Zeev von der Braun School of Public Health an der Hebräischen Universität in Jerusalem, die Leiterin des Teams, das die Studie erstellt hatte. Doch sie geht noch einen Schritt weiter. »Aufgrund der hohen Risiken, die der Nikotinkonsum für Schwangere mit sich bringt, scheint es uns darüber hinaus geradezu zwingend zu sein, dass Raucherinnen Zugang zu besonderen Entwöhnungsprogrammen erhalten. Derzeit gibt es weder in den Vereinigten Staaten noch in Israel Angebote, die speziell für diese Zielgruppe konzipiert sind. Das sollte sich dringend ändern«, sagt Bar-Zeev. Denn die Zahl derer, die sogar während der Schwangerschaft rauchen, ist immer noch erschreckend hoch. Rund 10,7 Prozent aller Frauen tun dies trotz des bereits vorhandenen Wissens um die Gefahren.
Bar-Zeev sowie ihre Kollegen Haile Zelalem und Ilana Chertok von der Ohio University weisen in ihren gemeinsamen Forschungen noch einmal auf die Folgen einer solchen Schwangerschaftsdiabetes hin. Neben den erhöhten Risiken für eine Totgeburt oder Fehlbildung kommt es häufig auch zur sogenannten Makrosomie, einer abnormen Größe des Neugeborenen. Auch müssen die Kinder überdurchschnittlich oft via Kaiserschnitt auf die Welt gebracht werden.
KAUGUMMI Die Medizinerin aus Jerusalem beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Thema Rauchen in der Schwangerschaft und den Schwierigkeiten, die viele Frauen mit der Entwöhnung haben. So befürwortet sie die systematische Substituierung von Zigaretten durch nikotinhaltige Sprays, Kaugummis oder Pflaster. »Im Rahmen eines solchen Therapieansatzes sollte stets eine möglichst geringe Dosis davon zum Einsatz kommen«, rät sie. Schließlich ist Nikotin ein Giftstoff, der weder der werdenden Mutter noch dem Fötus sonderlich guttut. »Aber das ist immer noch besser als das Rauchen selbst.«
Nikotin-Ersatzprodukte sind zwar nicht gesund, aber immer noch besser als Tabak.
Die allen Ex-Rauchern bekannten Entzugserscheinungen bezeichnet Bar-Zeev als die eigentliche Herausforderung. »Ärzte sollten Frauen, die zehn Zigaretten am Tag geraucht haben, durchaus empfehlen, alle eineinhalb Stunden ein Nikotinkaugummi zu benutzen, selbst wenn sie gerade keinen Drang auf eine Zigarette verspüren.« Das wirke vorbeugend – zum Beispiel, wenn man weiß, dass vielleicht in einer halben Stunde eine Gesellschaft mit anderen Rauchern ansteht, die genüsslich paffen. Auf diese Weise sinkt der Drang, sich gleichfalls eine Zigarette anzustecken.
Auch Marihuana-Konsumentinnen seien gewarnt. Wer nun glaubt, dass es eine clevere Idee ist, während der Schwangerschaft den Joint durch Cannabis-Kekse oder Ähnliches zu ersetzen, schädigt den Fötus ebenfalls. Zwar ist dann weder Nikotin oder einer der anderen rund 300 giftigen Stoffe, die der Tabak enthält, im Spiel. Aber das im Dope vorhandene Tetrahydrocannabinol (THC) kann locker die Plazentaschranke überwinden und seine Wirkung auch auf den Embryo übertragen.
CANNABIS In den Vereinigten Staaten konsumiert jede zehnte Schwangere solche Cannabisprodukte – viele glauben, dass es ihnen hilft, mit Symptomen wie Übelkeit oder Schmerzen besser fertigzuwerden. Ein fataler Irrglaube, warnte jüngst Christian Albring, Präsident des Bundesverbandes der Frauenärzte e.V.: »Es gibt sehr deutliche Hinweise darauf, dass sich die Funktionsweise des kindlichen Gehirns dauerhaft verändert, wenn die Mutter während der Schwangerschaft Cannabis konsumiert hat, und zwar unabhängig vom Nikotin und den anderen Giftstoffen, die beim Marihuana-Rauchen mit inhaliert werden.«