»Ein Tag wie kein anderer«

Und trotzdem geht die Sonne auf

Erst mal einen Kiffen: Zooler (Tomer Kapon, l.) und Eyal (Shai Avivi) versuchen dem Schmerz mit Marihuana zu entkommen. Foto: pr

Zu den schlimmsten Gefühlen, die einen überfallen, wenn ein geliebter Mensch gestorben ist, gehört die plötzliche Erkenntnis des Wahnsinns der Gleichzeitigkeit: Ein Mensch ist tot, aber die Sonne geht auf. Ein Mensch ist tot, aber die anderen leben weiter. Ein Mensch ist tot, aber der Zahnarzt schickt Terminerinnerungen.

W. H. Auden schrieb darüber mit »Stop All The Clocks« einst ein grandioses Gedicht. Nun hat der israelische Regisseur Asaph Polonsky mit Ein Tag wie kein anderer eine bis ins Detail gelungene, zärtliche Tragikomödie darüber gedreht. Der deutsche Titel verfehlt zwar knapp das Thema, aber das Original (Eine Woche und ein Tag) setzt die Kenntnis des Schiwasitzens voraus. Deshalb.

Klappstühle Um diesen Tag genau geht es: den Tag danach. Die Leute sind gegangen, das mitgebrachte Essen ist zu Resten geworden, und die Klappstühle werden zusammengefaltet. Eyal und Vicky Spivak haben Ronnie verloren, ihren 25-jährigen Sohn. Und nach sieben Tagen ist plötzlich das Rauschen weg, all die Menschen, die einen ablenken, nerven, trösten, zum Essen zwingen und vom Nachdenken abhalten.

Während Vicky sich an ein »normales« Leben klammert, sich die Haare färbt, wieder zur Arbeit geht und auch zum Zahnarzt, versucht Eyal, dem Schmerz mit Marihuana zu entkommen, das er im Hospiz-Zimmer seines Sohnes gefunden hat. Nur Joints drehen kann er nicht. Da passt es gut, dass Nachbarssohn Zooler aufkreuzt, eine Mischung aus Trampel und Clown. Weil der junge Mann den Tod noch nicht versteht, reißt er Eyal Stück um Stück aus der Lähmung, und zusammen gehen sie auf eine Irrfahrt, die in einem Moment zum Heulen und im nächsten zum Lachen ist.

hilflos Niemand Geringeres als der israelische Star-Komiker Shai Avivi spielt in Asaph Polonskys Regiedebüt die Hauptrolle. Und sein hilfloser Eyal lässt einen vom ersten Augenblick an nicht los. Yevgeniya Dodina ist eine bewundernswert kraftvolle Vicky, die in diesem Meer aus Schmerz versucht, den Kopf oben zu behalten.

Und als tumber Zooler überrascht ein ausgezeichneter Tomer Kapon, der eben noch als sexy Spezialagent in der Netflix-Kultserie Fauda überzeugt hat. Er ist es auch, der den Satz sagen darf: »Etwas nicht zu sehen, heißt nicht, dass es nicht da ist.« Ob das ein Trost ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Europa

Spanien stellt Teilnahme Israels am Musikwettbewerb ESC infrage

Beim Eurovision Song Contest soll es eigentlich um Musik gehen. Doch die Politik spielt immer öfter mit hinein. Aktuell droht eine neue Debatte um Israel. Grund ist der Krieg im Gazastreifen

 14.04.2025

Geistesgeschichte

»Wirklicher Liberalismus«

Die Biografie des Politikwissenschaftlers Adolf Grabowsky zeigt exemplarisch, warum Konservatismus und Fortschritt keine Gegensätze sein müssen

von Matthias Oppermann  14.04.2025

Interview

Günther Jauch: Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  11.04.2025

UNESCO

Talmud-Handschrift zu Weltdokument ernannt

Das Weltdokumentenerbe vereint Buchbestände, Handschriften, Partituren, Bild-, Ton- und Filmaufnahmen von außergewöhnlichem Wert für die Menschheitsgeschichte

 11.04.2025

10. Todestag

Zwischen Erinnerung und Engagement: Günter Grass heute

Literarisch brachte er es zu höchsten Ehren, politisch war er ein kritischer Wegbegleiter der Bundesrepublik, aber auch ein gescheiterter Moralist. Ein Zeitzeuge erinnert sich an Günter Grass als verlässlichen Freund

von Klaus Blume  11.04.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  11.04.2025

Deichbrand-Festival

Macklemore-Auftritt: Kulturwissenschaftlerin rät von Konzertabsage ab

Sie empfiehlt den Festival-Veranstaltern, das Konzert mit Diskussions- und Informationsveranstaltungen zu begleiten

 11.04.2025

Kulturkolumne

Freiheit schmeckt nach mehr als Mazzeknödel

Das Menü soll weniger aschkenasisch aussehen: Warum es bei meinem Sederabend auch Mina de Espinaca gibt

von Laura Cazés  11.04.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Omas Makronen oder Wie schmeckt Erinnerung?

von Nicole Dreyfus  11.04.2025