Wenn ein Ehemann seiner Frau ohne besonderen Anlass Blumen, Pralinen oder Parfüm mitbringt, weiß die erfahrene Gattin, dass die Sache faul ist. Entweder Männe ist fremdgegangen und versucht, sich von seinem schlechten Gewissen freizukaufen; oder er hat irgendetwas Dubioses vor und will die Angetraute mit dem Geschenk präventiv ruhigstellen.
Ganz ähnlich ist es mit Politikern, die aus heiterem Himmel großzügige Versprechungen machen. Dahinter steckt oft auch etwas anderes. Wenn also der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh vergangene Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorschlägt, die historische Synagoge Fraenkelufer in Kreuzberg wiederzuerrichten, fragt sich der geübte Wähler: Was will der Mann wirklich?
Sawsan Chebli Der SPD-Politiker Saleh, das ist in Berlin bekannt, hat Ambitionen, den glücklosen Regierenden Bürgermeister Michael Müller abzulösen. Der ist, nachdem er vor einiger Zeit wegen angeblicher Nachgiebigkeit gegenüber Antisemiten unter Beschuss geraten war, neuerdings in jüdischen Dingen besonders umtriebig. Pünktlich zum 9. November ließ er seine Staatssekretärin Sawsan Chebli sogar einen »Arbeitskreis gegen Antisemitismus« ins Leben rufen. Das, wird sich Raed Saleh vielleicht gedacht haben, muss ich dringend toppen. Irgendetwas mit Juden sollte es auch sein. Wenn der Genosse Müller ein Gremium gründet, erhöhe ich um eine ganze Synagoge. All in!
Selbstverständlich ist das eine bösartige Unterstellung. Michael Müller und Raed Saleh handeln gewiss nur aus edelsten Motiven. Ganz durchdacht ist die Initiative des Fraktionsvorsitzenden dennoch nicht. Das derzeit größte jüdische Gotteshaus Berlins in der Rykestraße in Prenzlauer Berg fasst theoretisch 1200 Menschen und ist, wenn nicht gerade ein Konzert dort stattfindet, nie wirklich voll, nicht einmal an den Hohen Feiertagen.
Die frühere Synagoge Fraenkelufer, die der SPD-Mann in alter Form rekonstruieren will, bot einst Platz für 2000 Beter. Wo die im Falle einer Wiedererrichtung herkommen sollen, ist ein schon fast kabbalistisches Mysterium. Zumal Kreuzberg und das benachbarte Neukölln nicht gerade natürliche jüdische Biotope sind, allen medienträchtigen Behauptungen von Armin Langers »Salaam-Schalom Initiative« zum Trotz, deren Mitstreiter auch am Fraenkelufer aktiv sind.
Flughafen Zum Glück sind wir in Berlin, wo sich Neubauprojekte bekanntermaßen etwas länger hinziehen. Am Fraenkelufer wird so sicher eine neue Synagoge stehen, wie der Flughafen BER planmäßig in Betrieb gegangen ist. Das ist auch besser so. Würde Salehs Idee gegen jede Wahrscheinlichkeit Realität, hätten wir bloß ein weiteres, mutmaßlich meist leeres jüdisches Gotteshaus in der Hauptstadt.
Nach ein paar Jahren käme dann womöglich der nächste Politiker mit dem Vorschlag, das Gebäude in eine interkulturelle Begegnungsstätte umzuwidmen. Oder gleich eine Moschee daraus zu machen. Die zumindest wäre immer gut besucht. Und würde auch besser nach Kreuzberg passen.