Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Erwähnung des Namens Woody Allen heutzutage eher selten Begeisterung, sondern meistens eine gewisse Ermüdung auslöst. Und irgendwie kann man es niemandem verdenken. Mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks bringt der Regisseur trotz fortgeschrittenen Alters Jahr für Jahr einen neuen Film ins Kino, sodass nie Zeit für Vorfreude bleibt.
Wobei die so manchem ohnehin vergangen ist, seit vor einigen Jahren seine ehemalige Lebensgefährtin Mia Farrow und Sohn Ronan Farrow die Missbrauchsvorwürfe gegen Allen der Öffentlichkeit wieder ins Bewusstsein riefen, worin sie seither auch verharren. Doch Wonder Wheel zeigt nun: Das größte Problem sind vielleicht nicht die Ermüdungserscheinungen bei den Zuschauern, sondern Allens eigene.
Brooklyn Für seine Geschichte verschlägt es den 82-Jährigen zurück ins heimatliche Brooklyn, genauer gesagt, nach Coney Island. Im dortigen Vergnügungspark am Strand lebt und arbeitet in den 50er-Jahren die ehemalige Schauspielerin Ginny (Kate Winslet). Sie jobbt als Kellnerin, ihr zweiter Mann, der trockene Trinker Humpty (James Belushi), betreibt ein Karussell, und Richie, ihr Sohn aus erster Ehe, rebelliert mit Zündeleien.
Ginny blüht auf, als sie eine Affäre mit dem Studenten und Rettungsschwimmer Mickey (Justin Timberlake) beginnt. Doch alles gerät ins Wanken, als ihre Stieftochter Carolina (Juno Temple) auf der Flucht vor ihrem Gangstergatten auftaucht und sich bald ebenfalls mit Mickey einlässt.
Es ist nun nicht so, dass Wonder Wheel nichts Sehenswertes zu bieten hätte. Kameramann Vittorio Storaro, mit dem Allen bei Café Society erstmals zusammenarbeitete, findet sichtlich Gefallen an den bunten Kirmeslichtern Coney Islands, die selbst in Ginnys Schlafzimmer noch für wunderbare Farben sorgen. Und Kate Winslet stürzt sich – als eine dieser typischen Allen-Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs – mit der Inbrunst einer Bühnendiva auf das Melodramatische dieser Geschichte. Doch anders als bei Cate Blanchett in Blue Jasmine droht ihr fulminanter Auftritt im luftleeren Raum zu verpuffen, da ihre beiden fehlbesetzten männlichen Co-Stars nicht das Geringste entgegenzusetzen haben.
dumpf Von Drehbuch und Regie ist keine Hilfe zu erwarten. Alles ist wie immer, nur noch ein wenig uninspirierter, von Timberlakes Off-Kommentar über die nur noch nach Allen-Charakteren, aber nie nach realen Menschen klingenden Dialoge bis hin zur dieses Mal besonders dumpfen und steifen Theatralik der Inszenierung. Wo Allen sonst zumindest Empathie für seine Figuren aufbringt, scheint hier Desinteresse vorzuherrschen, und selbst Alkoholismus oder gar Mord werden bloß leichtfertig als Plot-Vehikel ohne echte Konsequenzen eingeführt.
Neu ist in Wonder Wheel fast nur eines: So sehr hat Allen auf Autopilot geschaltet, dass er einige seiner Standardszenen sogar wiederholt. Gleich zwei Mal also ist es ein Regenschauer, der Mickey einer Frau näherbringt, gleich zwei Mal beehrt er eine Angebetete mit einem Buch.