Essen

»Tscholent macht glücklich«

Laura Southern Foto: PR

Frau Southern, Linsen, Fleisch, Gemüse: Was ist so gesund an Tscholent?
Wenn wir an gesunde Dinge denken, denken wir oftmals an rohes Gemüse. Aber viele von uns können das gar nicht so gut verdauen – gerade jetzt im Winter. Wir brauchen wärmendes Essen. Entscheidend ist das langsame Kochen. Ein Gericht ist über Stunden im Topf, und alles Gute des Gemüses, vom Fleisch und den anderen Zutaten geht in die Flüssigkeit. Das heißt, dass wir die Zutaten in einer leicht zu verarbeitenden Art und Weise aufnehmen. Und was außerdem noch gut ist beim Tscholent, das sind die abwechslungsreichen Zutaten, die wir für den Eintopf nehmen können. Zugegeben, die klassischen Rezepte sind vielleicht etwas fettig, aber wenn wir den Tscholent selbst kochen, dann können wir unterschiedliches Gemüse, frische Kräuter, Hülsenfrüchte nehmen, und all das hilft unserer Darmflora. Jeder von uns hat Trillionen Mikroben im Verdauungssystem. Und die sollten wir gut behandeln, denn sie halten uns gesund. Und wenn wir ihnen die richtige Nahrung geben, sind sie glücklich.

Tscholent macht sie also glücklich?
Genau. Mikroben mögen Fasern wie die von Kräutern, auch Gewürze oder verschiedenstes Gemüse. Wenn wir ihnen all das geben, dann feiern sie sozusagen ein Fest.

Ist es denn egal, ob man das aschkenasische oder das sefardische Rezept für Tscholent nimmt?
Vielleicht ist der sefardische Tscholent sogar ein bisschen gesünder, weil er viele entzündungshemmende Gewürze und Polyphenole enthält, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken können. In Paprika, Kurkuma oder Zimt sind sie zu finden. Also alle diese wärmenden und farbintensiven Zutaten und Gemüse.

Lassen Sie uns einmal auf den Schabbattisch schauen. Wir haben Suppe, Challa, Salat, Fisch oder Fleisch. Wie bewerten Sie ein Schabbatmahl?
Nun, was das Schabbatessen – vom eigentlichen Essen einmal abgesehen – so gesund macht, ist das Zusammensein. In entspannter Atmosphäre, in einer Gruppe mit lieben Menschen zu essen. Gerade für Ältere ist der soziale Aspekt wichtig. Und natürlich gibt es dann das Essen an sich. Also: die Hühnersuppe oder auch die Gemüsebrühe – beide sind fantastisch für unsere Gesundheit. Die Hühnersuppe ist ja eigentlich Medizin. Und auch hier kochen wir die Zutaten lange und langsam. Sie unterstützt unser Immunsystem unheimlich gut. Man kann noch Möhren oder Zwiebeln hinzugeben, alles das macht die Suppe zu einem gesunden Essen. Aber: Man kann alles natürlich so gesund oder ungesund machen, wie es nun einmal geht. Fisch, frisches Gemüse, das ist super. Schwere Soßen, na ja, das ist dann weniger gut. Aber am ungesündesten ist, einfach zu viel zu essen. Klar, es ist Freitagabend, und einmal in der Woche macht ein bisschen mehr vielleicht im Gesamtbild auch nicht so viel aus. Aber wenn man dann einfach immer mehr isst, wenn noch reichlich Alkohol und vielleicht auch noch ein Dessert hinzukommen, dann kann ein eigentlich gesundes Abendessen ins komplette Gegenteil kippen.

Es gibt auch Fastenzeiten. Ist das eigentlich gesund aus Ihrer Sicht?
Es gibt viele Untersuchungen zum Fasten, die auch den Ansatz unterstützen, dass es gut für die Gesundheit ist. Was das längere Fasten angeht, das ist für einige Frauen nicht so empfehlenswert. Männern hingegen tut es ganz gut. Das Fasten an einem Feiertag wie Jom Kippur, an dem man 25 Stunden gar nichts zu sich nimmt, das gibt dem Körper einen guten Neustart. Das allerdings regelmäßig und länger zu tun, also nicht einmal Wasser zu trinken, das ist nicht gut für die Gesundheit. Ich empfehle meinen Kunden immer: Essen Sie nach sechs Uhr abends nichts mehr und frühstücken Sie 14 Stunden später. Das ist gut fürs Gewicht, für die Verdauung, und der Körper hat mindestens zwölf Stunden Zeit.

Gibt es einen bestimmten jüdischen Feiertag, der besonders gesund ist?
Auf Anhieb fällt mir keiner explizit ein, aber man kann natürlich darauf achten, dass das Essen gesund bleibt. Zu Pessach zum Beispiel kann man sehr kreativ werden, viele Gerichte mit Gemüse zubereiten, auch einmal mit Quinoa oder Nüssen. Man muss ein wenig über den Tellerrand hinausschauen. Bei allen jüdischen Festen gibt es immer etwas Süßes und Leckeres, das dazu passt. Wenn ich also an Pessach denke, denke ich an all die verschiedenen Kekse, die wir nur einmal im Jahr essen, oder natürlich an Mazze, die zum Anfang alle mögen, und nach einer Woche mag man sie vielleicht weniger. Das Lustige ist: Ich wohne in einer sehr jüdischen Gegend in London, und die jüdischen Geschäfte in meiner Nähe haben vor Jom Kippur, einem Tag also, wenn wir nicht essen, den geschäftigsten Tag des Jahres.

Was machen wir denn eigentlich mit Babka. Die ist lecker, aber auch gesund?
Wenn ich daran denke, denke ich einfach nur: lecker. Und natürlich sollte auch einmal Platz dafür sein. Schließlich bedeutet Glück auch Gesundheit. Eine Scheibe Babka, dazu einen Tee, das geht. Die ganze Babka allerdings zu essen und kein Ende zu finden, davon würde ich abraten.

Vorkochen heißt heute »MealPrep« und ist ein großes Thema, wenn man über gesunde Ernährung spricht.
Gerade bei Menschen, die koscher leben. Da muss man schon sehr oft an Essen und die Frage, woher man es unterwegs bekommt, denken. Selbst in meiner Familie gibt es Mitglieder, die religiöser sind und dann tagsüber vielleicht einen Thunfisch-Bagel oder einen Bagel mit geräuchertem Lachs essen. So richtig gesund ist das nicht. Quinoa, Kichererbsen, Proteine, ein bisschen Hühnchen oder Fisch, viel Gemüse. Das kann man gut vorbereiten. In Deutschland gibt es wirklich ausgezeichnetes Brot. Trotzdem kann es an einigen Abenden ruhig auch einmal eine Abwechslung zum Brot geben.

Womit beginnen Sie Ihren Tag?
Das kommt ein wenig auf das Wetter an. Wenn es kalt ist, dann mit Porridge. Ich mag Nüsse sehr gern. Also entscheide ich mich zum Frühstück auch gern mal für griechischen Joghurt mit Haferflocken und Körnern, Obst, ein paar Chiasamen, Sesam, Walnüsse, Kürbiskerne. All das liefert mir gute Fette und Öle und hilft bei der Verdauung, hat Einfluss auf den Hormonhaushalt, hilft dem Gehirn. Ich esse nicht allzu viel Zucker morgens. Tagsüber dann mehr. Aber eines darf morgens bei mir nicht fehlen.

Was denn?
Kaffee.

Mit der Londoner Ernährungsberaterin sprach Katrin Richter.

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