Chaim Lubelski ist ein gottesfürchtiger Kiffer. Ein Börsenspekulant auf der Suche nach Wahrhaftigkeit und Transzendenz. Ein Händler und Lebenskünstler, der aussehen kann wie ein Filmstar oder ein Clochard, während er durch die Welt zieht – und für den Haschem am Wichtigsten ist. Ist er außerhalb Israels auf Reisen, mietet er in Jerusalem ein Zimmer für seine heiligen Bücher, weil es entwürdigend wäre, sie in Kisten zu verpacken.
Man müsste mal einen Film über ihn drehen – das denkt sich wohl mancher, der eine solch schillernde Person in der Familie hat. Chaim Lubelskis Cousin Elkan Spiller hat genau dies getan. Wie Lubelski ist auch er Sohn von KZ-Überlebenden. Spillers Dokumentation L’Chaim – Auf das Leben!, die am 27. August in Deutschland anläuft und in den Tagen davor in Anwesenheit von Spiller und Lubelski in mehreren Kinos gezeigt wird, beleuchtet die letzten Lebensjahre seiner Tante Nechuma, die Lubelski in ihrem Antwerpener Altenheim betreut.
jiddisch In Rückblenden webt Spiller die früheren Stationen aus dem Leben des Cousins ein. Ähnlich sprunghaft ist auch die Sprache: mal Englisch, mal Deutsch mit jiddischen und bayerischen Einflüssen, weil die Lubelskis einst in München wohnten. Herausgekommen ist dabei ein fesselndes Porträt eines Menschen, einer Familie, einer Generation.
Spillers Bindung zu seinen Protagonisten sorgt für eine Nähe, die berührt und beklommen macht. Nicht zuletzt weil Spiller, kürzlich 50 geworden, hier auch seinen eigenen Stand in einem Leben auslotet, das ihn ähnlich wie seinen Cousin durch die Welt trieb. »Elkan sucht damit auch sich selbst«, erklärt Lubelski seiner Mutter Spillers Interesse an der Schoa.
Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn ist die Achse, um die sich dieser Film dreht. Ihre Konflikte haben sie längst hinter sich gelassen, jetzt ist alles geklärt: »Sie war meine Mutter, nun ist sie meine Tochter«, sagt Lubelski. Ungeachtet dessen sind da ein paar auffällige Details: Nechuma und Chaim haben dieselben klaren Augen, dieselbe Art, in Lachen auszubrechen, selbst über die schlimmsten Themen.
konzentrationslager Nechuma hat diesen Galgenhumor früh gelernt: »Oh, Peterswaldau! Du bist mein Glück«, stimmt sie das Lied an, das sie einst schon im gleichnamigen KZ sang. Das Lachen bleibt einem in diesem Film mehr als einmal im Hals stecken. Und, scheint Spiller zu fragen: Ist die Geschichte etwa ein Grund, nicht zu lachen?
Ungeachtet jeder Schlussstrichdebatte zeigt der Film, wie der Schrecken der Schoa in jenen fortdauert, die ihn überlebten. Der Appell, über dieser Bürde Liebe und Menschlichkeit nicht zu verlieren, ist die Botschaft von Elkan Spillers Film. Am Ende ist Nechuma gestorben, und Chaim verabschiedet sich auf seine ganz eigene Art von seiner Mutter. Heute wohnt er übrigens in ihrem Zimmer. Fast hätte man es vergessen: Viele aus der Second Generation gehen inzwischen auf die 70 zu.
Die Termine der bundesweiten Kinotour vor dem offiziellen Filmstart im Überblick:
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Der Trailer:
www.youtube.com/watch?v=KZpoZ16y5kY
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