Wer Jerry Lewis auch nur ein einziges Mal in Fahrt gesehen hat, wird ihn nie vergessen. Sein irres Grimassenschneiden und Herumzappeln, sein Schlappmaul mit der hohen quäkenden Stimme, kurz: sein Charisma einer Nervensäge, deren vorrangige Mission der Unfug ist, ist vielen in unvergesslicher Erinnerung geblieben.
Als Joseph Levitch kam der Sohn eines Unterhaltungssängers und einer Klavierspielerin 1926 in Newark im US-Bundesstaat New Jersey zur Welt. Schon als Fünfjähriger erkannte er, dass Slapstick seine Berufung ist, wie er einmal sagte: »Stolpern, Ausrutschen, Hinfallen«. Da hatte er gerade bei seinem ersten Bühnenauftritt versehentlich einen Scheinwerfer angestoßen und zum Explodieren gebracht. Er heulte, das Publikum lachte.
markenzeichen Viele Jahre später wurde das laute Greinen zu einem seiner Markenzeichen. Das war in jener unbeschwerten Nachkriegszeit, in der Lewis mit Dean Martin zusammenfand. Zuvor hatte er sich nach seinem frühen Schulabgang als Pausenfüller bei Striptease-Shows und Pantomime durchgeschlagen.
Lewis und Martin, die den Spitznamen »The Sex and the Monkey« trugen, bildeten das anarchischste Männerduo seit Stan Laurel und Oliver Hardy. Wie so vieles hat Jerry Lewis von Stan etwa den panischen Hüpfer in starke Männerarme abgeschaut. Doch statt wie Oliver Hardy vor Wut fast zu platzen, amüsierte sich der schöne und coole Dean königlich über die Kapriolen seines Kompagnons.
Noch heute ist das Zusammenspiel der zwei bei ihren improvisierten Auftritten in der Colgate Comedy Show unwiderstehlich anzuschauen – sie können sich selbst kaum das Lachen verkneifen. 1956 trennten sie sich – wegen »zu großer Egos«, wie der untröstliche Lewis in seiner 1982 erschienenen Autobiografie bekannte.
Kino Doch Jerry Lewis, der mit Dean Martin unter anderem in 16 Kinofilmen aufgetreten war, drehte als Regisseur, Autor und Hauptdarsteller erst richtig auf. Mit präzise choreografierten Solo-Blödeleien wie Der Bürotrottel, Der Ladenhüter und Der verrückte Professor erntete er wie gehabt Kritikerschmäh – doch das Publikum liebte ihn.
Paradoxerweise erkannten europäische Kritiker die Bedeutung des Komikers erst, als in seiner Heimat in den 60er-Jahren sein Stern am Sinken war. Insbesondere französische Cineasten sahen in Jerry Lewis das größte komische Genie seit Charlie Chaplin. Sie interpretierten seine kindischen Figuren, die ihre Umgebung und sich selbst sabotieren, als Karikaturen eines Amerika, das nicht erwachsen werden kann. Jean-Luc Godard, gefeierter Regisseur der Nouvelle Vague, ließ sich von Lewis subversiv-grotesken Clownereien gar zu seinem Film Pierrot le fou anregen.
Vielleicht war es diese intellektuelle Wertschätzung, die Lewis den Anstoß gab, ein lange gehegtes Projekt umzusetzen und Anfang der 70er-Jahre mit The Day the Clown Cried (deutsch: Der Tag, an dem der Clown weinte) ein unerhörtes Wagnis einzugehen. 25 Jahre vor Roberto Benignis Holocaust-Tragikomödie Das Leben ist schön versuchte Lewis, dem Schrecken der Konzentrationslager mit den Mitteln des Humors zu begegnen. Das Projekt scheiterte, der Film wurde nie gezeigt.
Sucht Nach diesem Einschnitt war Jerry Lewis, der zudem aufgrund von Bühnenstürzen an schweren Rückenschmerzen litt und jahrelang tablettensüchtig war, für die Rolle des unbefangenen Hanswurstes verloren. Mit brillanten Auftritten wechselte er ins Charakterfach und pflegte dabei seine eigene Legende: etwa 1982 in Martin Scorseses King of Comedy, in Emir Kusturicas Arizona Dream und besonders der Tragikomödie Funny Bones, einer bittersüßen Hommage an den Clownsberuf.
Anders als in Peter Chelsoms Film aber hat Lewis stets auch ein Leben jenseits des Showgeschäfts gehabt. Er war siebenfacher Familienvater und Aktivist für die »Amerikanische Gesellschaft gegen Muskelschwund«. Einen Oscar bekam er 2009 nicht für seine Filmkunst, sondern für sein humanitäres Engagement. In Fernseh-Spendengalas sammelte er mehr als eine Milliarde Spendengelder ein.
Am Sonntag ist Jerry Lewis im Alter von 91 Jahren in Las Vegas gestorben.