André Glucksmann ist tot. Der französisch-jüdische Philosoph und Essayist starb im Alter von 78 Jahren in der Nacht zum Dienstag. Das berichtete der französische Radiosender »France Info« unter Berufung auf die Familie. Glucksmann gehörte gemeinsam mit Bernard-Henri Lévy und Alain Finkielkraut zu den Vordenkern der »Nouveaux philosophes« in Frankreich. Sie setzten sich mit dem Marxismus auseinander und entwarfen dabei eine entschiedene Kritik totalitärer Systeme.
Glucksmann wurde 1937 als Sohn ostjüdischer Emigranten im französischen Boulogne-sur-Mer geboren. Seine Eltern stammten aus Prag und der Bukowina, hatten sich in den 20er-Jahren in Palästina kennengelernt, kehrten dann nach Europa zurück und flohen 1936 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland nach Frankreich. André Glucksmann wurde bis zum Ende des Krieges unter falschem Namen in Frankreich versteckt. Sein Vater kam 1940 ums Leben.
freiheit Bereits als Schüler war Glucksmann Anhänger der Kommunistischen Partei Frankreichs. Mit 17 Jahren trat er in die Partei ein, wurde aber wegen seiner Kritik am sowjetischen Einmarsch in Ungarn (1956) ausgeschlossen. Später stand er der maoistischen Linken nah und wurde Mitglied einer illegalen Gruppierung. 1968 nahm er an den Mai-Demonstrationen in Paris teil.
Auch wegen seiner Erfahrungen mit der militanten Linken wandelte sich Glucksmann zu einem vehementen Anwalt der Freiheit. Seine massive Kritik am Kommunismus wurde ausgelöst durch die Lektüre von Alexander Solschenizyns Der Archipel Gulag.
Werke Glucksmann veröffentlichte zahlreiche politische und philosophische Schriften. Als sein Hauptwerk gilt die 1977 erschienene Abhandlung Die Meisterdenker. 1985 erschien Die Macht der Dummheit, in der er unter anderem mit der sozialistischen Führung in Frankreich abrechnete. Viel diskutiert wurde auch sein Buch Der Stachel der Liebe. Ethik im Zeitalter von Aids (1995).
1999 befürwortete André Glucksmann den Krieg der Nato gegen Slobodan Milosevic und das Bombardement Jugoslawiens. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA forderte er einen Krieg gegen die »Internationale der Mörder«. Später wurde der Philosoph zum Fürsprecher der UN-Missionen in Afghanistan und Irak und machte sich für humanitäre Einsätze zur Verhinderung von Völkermorden stark.
Glucksmanns Sohn Raphael schrieb am Dienstag auf Facebook: »Mein erster und bester Freund ist nicht mehr da. Ich hatte die unglaubliche Chance, diesen Mann zu kennen, mit ihm zu diskutieren, zu reisen, und zu spielen – alles und nichts mit ihm zu tun.«