Kino

Trau keinem unter vierzig

Josh und Cornelia sind beide Mitte 40, verheiratet und leben in Brooklyn. Es geht ihnen nicht schlecht, aber ihr Leben empfinden die zwei trotzdem als eher langweilig. Der Held von Gefühlt Mitte Zwanzig wird von Ben Stiller gespielt, der mittlerweile 49 Jahre alt ist. Damit ist das Wichtigste über die Tragikomödie bereits gesagt. In einer seiner komischsten Szenen teilt ein Arzt dem Helden mit, er habe Arthritis im Knie. »Arthritis?«, fragt der zurück. »Sie meinen, Arthritis-Arthritis?« Der Arzt: »Gibt es denn auch eine andere Sorte?«

Es geht in Gefühlt Mitte Zwanzig – einem Film von Noah Baumbach, dem wir auch die Komödie Greenberg verdanken – also um die Schrecken des mittleren Alters. Alle Versuche von Josh und Cornelia, Kinder zu bekommen, haben zu Fehlgeburten geführt. Vielleicht liegt es daran, dass die beiden mit ihrem Leben nicht recht zufrieden sind; vielleicht ist die Unzufriedenheit aber auch darauf zurückzuführen, dass Josh seit acht Jahren versucht, einen Dokumentarfilm über einen grummelnden alten linksradikalen jüdischen Professor zu drehen und damit nicht zu Potte kommt (den Professor spielt Peter Yarrow von der 60er-Jahre Folk-Gruppe »Peter, Paul and Mary«, und er ist großartig in dieser Rolle).

verrat Mitten in all der Unzufriedenheit treffen Josh und Cornelia auf ein junges Paar: Jamie (Adam Driver) und Darby (Amanda Seyfried). Auch Jamie ist ein Dokumentarfilmer. Es entfaltet sich nun ein hoch komplizierter Plot. Im Wesentlichen geht es darum, dass Jamie sich als veritables Arschloch erweist, das den kriselnden Josh nach allen Regeln der Kunst hinters Licht führt und ihm dabei auch noch seine besten Ideen klaut.

Es kommt zu einer dramatischen Konfrontation, bei der Josh den jungen Dokumentarfilmer zwingt, all seine Lügen einzugestehen. Aber ach! Er unterliegt trotzdem, weil sich alle auf die Seite des Feindes stellen, und muss geschlagen von dannen ziehen. Weil wir uns aber in einer Komödie befinden, geht die Geschichte dennoch gut aus – und von dem Bösewicht heißt es am Ende, er sei gar nicht böse. Er sei einfach nur jung.

Es gibt viele schöne Szenen in dieser »Comedy of Manners« aus dem Milieu der jüdischen Mittelschicht in New York. Etwa die wunderbare Sequenz, in der schonungslos vorgeführt wird, wie »retro« das junge Paar ist: mit Videorekorder, Schreibmaschine und Schallplattensammlung. Eine lange Szene zeigt das junge und das alte Paar bei einer Meditationsübung mit psychedelischen Pilzen bei einem ganz offenkundig betrügerischen Schamanen; sie kulminiert darin, dass alle sich in extra dafür bereitgestellte Eimer übergeben.

Am schönsten ist aber vielleicht die Szene, in der Josh versucht, einen jungen Hedgefonds-Schnösel von der Wall Street um Geld für sein Filmprojekt anzupumpen. Ryan Serhand spielt den Schnösel wunderbar klischeehaft mit Gel im Haar: Er sitzt in einem tollen Büro hinter einem Schreibtisch, kann die Finger nicht von seinem Smartphone lassen und bringt im Übrigen keinen geraden Satz über die Lippen. Eine Ikone der Ahnungslosigkeit, ein Barbar. Und während Josh versucht, ihm sein Projekt zu erläutern, wird auch dem letzten Kinozuschauer klar, dass es sich um langweiligen Schwachsinn handelt.

Die Prämisse des Films – mittelalt trifft jung, und es geht nicht gut aus – ist also tragfähig, und es gibt viele schöne Szenen in dieser Komödie. Trotzdem lässt Gefühlt Mitte Zwanzig den Zuschauer unbefriedigt zurück. Warum? Vielleicht liegt es daran, dass selbstreferentielle Filme – also Filme übers Filmemachen – oft allzu larmoyant sind. Zu den eigenen existenziellen Nöten braucht man nicht noch zwangläufig lang und breit die existenziellen Nöte von Drehbuchschreibern und Regisseuren vorgeführt bekommen.

länge Vielleicht liegt es auch daran, dass man sich während des Films gelegentlich dabei ertappt, auf die Uhr zu blicken. (Gefühlt Mitte Zwanzig ist ungefähr eine Viertelstunde zu lang.) In diesen Momenten sehnt man sich nach einem Streifen, der vor mehr als 20 Jahren in die US-Kinos kam; in Deutschland wurde er unter dem albernen Titel Wolf – Das Tier im Manne vertrieben. Jack Nicholson spielt dort einen alternden Angestellten, der von einem Werwolf gebissen wurde, was ihm sichtlich guttut. In einer köstlichen Szene pinkelt Jack Nicholson auf dem Klo einem jungen Konkurrenten über die glänzenden Schuhe – mit breitem, teuflischem Grinsen.

In gewisser Hinsicht ist Gefühlt Mitte Zwanzig der Gegenfilm dazu: Hier muss kein junger Spund um sein teures Schuhwerk fürchten. Hier siegen nicht die Herrschaften mit der Lebenserfahrung – die gewissenlose Jugend trägt auf der ganzen Linie den Sieg davon. Und am Ende hat dann doch das Mittvierziger-Pärchen gut lachen. Denn wie sagte Rilke schon: »Die großen Worte aus den Zeiten, da/Geschehn noch sichtbar war, sind nicht für uns./Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles.«

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