Die Handlung ist einfach: Die Händlerin Courage zieht mit ihrem Planwagen durch den Dreißigjährigen Krieg, den Soldaten hinterher. Sie verkauft alles, was man in der Schlacht und in den Pausen gebrauchen kann, und glaubt, im Krieg und mit dem Krieg Geschäfte machen zu können.
»Will vom Krieg leben, wird ihm wohl müssen auch was geben«, sagt ein Feldwebel zu Anfang über sie. Mutter Courage verliert ihre Söhne Eilif und Schweizerkas und ihre stumme Tochter Kattrin. Dennoch macht sie sich weiter auf den Weg mit neuer Ware, sie hat sonst nichts zum Leben.
hyäne Das Stück ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Wie spielt man die Courage? Therese Giehse hat sie bei der Uraufführung in Zürich am 19. April 1941 als »Tragödie eines Muttertiers« dargestellt, während Brecht sie als »Hyäne des Schlachtfeldes« sah.
Helene Weigel in Berlin hat sie dann viel sachlicher vorgeführt. Ihre Courage zieht nicht unschuldig in den Krieg, sie will »ihren Schnitt machen«. Aus ihrem Unglück lernt sie nichts, sie hat den Zusammenhang zwischen Krieg und Kapitalismus nicht verstanden. Es verdienen immer nur die großen Händler, Firmen, Konzerne, die kleinen Leute zahlen drauf, das wollte Brecht vermitteln. Aber die Courage müsse das nicht verstehen, erklärte Brecht, lernen solle der Zuschauer.
Mutter Courage ist nach wie vor Schullektüre, das Stück taucht immer wieder in den Spielplänen der Theater auf. Aber die Inszenierungen wirken oft blass und altmodisch – der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) ist zu weit entfernt.
probleme Der Regisseur Robert Schuster hat 2010 in einem Interview die Schwierigkeiten erläutert, die die Theater heute mit dem Stück haben. »Der Krieg kommt näher«, sagte Schuster einerseits, »andererseits ist er unsichtbarer geworden, unsere Bilder vom Krieg stammen aus dem Fernsehen.«
Schuster ging es um die Frage: »Wie kapitalistisch ist der Krieg, wie kriegerisch ist der Kapitalismus?« Das Geschäft mit dem Krieg sei globalisiert, es seien multinationale Konzerne, die an ihm verdienten. Viele Konzerne, für die wir arbeiteten oder deren Produkte wir kauften, machten Geschäfte mit dem Krieg, sagte er. Die eigene Verantwortung nicht zu sehen, sondern bei den Konzernen abzuladen, das sei die Haltung der Courage.
Wie aber inszeniert man das? In Wiesbaden hat der Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson gerade eine interessante Lösung gefunden: Aus dem Planwagen der Courage ist eine Art Verkaufsbasar geworden, umfasst von weißen Wänden. Die Bühne, also unsere Welt, wird im Lauf des Abends zerstört, an den Wänden läuft Blut herab.
Verzweiflung Was die Mutter Courage in einer guten Aufführung lebendig erhält, ist die Sprache Brechts und die Musik von Paul Dessau. Mutter Courage ist Lehrstück und Volksstück, »eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg«, so der Untertitel. Zwölf Bilder folgen aufeinander, die Handlung erstreckt sich von 1624 bis 1636. Fast in jeder Szene gibt es ein Lied, einen Song, eine Ballade. Jede Szene hat ihren eigenen Klang, ihre Verzweiflung. Brechts Sprache ist volkstümlich, ehrlich, holzschnittartig, sie erinnert sogar an Luther.
Die Lieder verkünden ihre Wahrheiten sarkastisch, sie sind zeitlos. Gepriesen werden die Weisheit Salomons, die Kühnheit Cäsars, die Redlichkeit des Sokrates, die Selbstlosigkeit des heiligen Martin, die Gottesfurcht der ordentlichen Leute. Die Schlusszeile lautet immer: »Beneidenswert, wer frei davon!«. Denn die Tugenden bringen im Krieg nur Unglück. Die Courage begegnet Menschen, die wie sie durch den Krieg kommen wollen – koste es, was es wolle.
Zur eigentlichen Hauptfigur neben der Courage wird am Ende ihre stumme Tochter Kattrin. Sie nimmt als einzige die Tugenden ernst. Mit einem Trommelwirbel warnt sie eine Stadt vor dem Feind – und wird erschossen.