Antisemitismus

Tour-Auftakt von Roger Waters steht bevor

Der britische Musiker und Mitbegründer von Pink Floyd steht wegen zahlreicher antisemitischer und israelfeindlicher Aussagen in der Kritik. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Aller Kritik und Absage-Forderungen zum Trotz startet am Sonntag in Hamburg die Deutschland-Tour »This Is Not A Drill« des Pink-Floyd-Mitbegründers Roger Waters. »Das Konzert findet nicht in städtischer Verantwortung statt, weshalb die Stadt keine Handhabe hat, die Veranstaltung zu unterbinden«, erklärte ein Sprecher der Hamburger Kulturbehörde.

Ihm zufolge legen die als antisemitisch kritisierten Äußerungen von Waters »einen Schatten auf sein unbestrittenes musikalisches Werk«. Der Veranstalter FKP Scorpio gab kurz vor dem Tour-Auftakt an, sich in dieser Angelegenheit leider nicht äußern zu können.

proteste Zuletzt hatte es bundesweit breite Kritik an den Auftritten des Musikers gegeben, die im Mai auch in Köln, Berlin, München und Frankfurt am Main geplant sind. In allen fünf Städten gab es Proteste und Forderungen nach Verboten. Rund um das Konzert in der Hamburger Barclays Arena seien bis Mittwoch keine Demonstrationen angemeldet worden, teilte die Polizei auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

In Köln ist am Montag um 17 Uhr auf dem Roncalliplatz eine Demonstration unter dem Motto »Wish You Weren’t Here« gegen das dortige Waters-Konzert vorgesehen.

»Ich will ihn hier nicht haben, und wir müssen es jetzt ertragen.«

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) über Roger Waters

Der 79-jährige britische Sänger wird unter anderem für seine Nähe zur BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) kritisiert, die zum umfassenden Boykott des Staates Israel aufruft. Der Bundestag distanzierte sich 2019 in einem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag von der BDS-Kampagne: »Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind antisemitisch«, hieß es zur Begründung.

Bei Konzerten ließ Waters Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Er hetzt regelmäßig gegen Israel. Auch Äußerungen zum Krieg in der Ukraine sorgten für Aufsehen – etwa, dass Russlands Präsident Wladimir Putin damit den Faschismus in dem Land bekämpfen wolle und dass die USA ein Hauptaggressor seien.

Waters wies zuletzt über sein Management von sich, antisemitisch zu sein, und gab an, Antisemitismus wie alle Formen von Rassismus zu verurteilen. »Meine allgemein bekannten Ansichten beziehen sich ausschließlich auf die Politik und die Handlungen der israelischen Regierung und nicht auf die Menschen in Israel«, sagte er demnach.

Dogmen Im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« äußerte er sich im März zudem zu dem Ballon in Form eines fliegenden Schweins. Der sei Teil jeder Show, bei der er den Song »In the Flesh« spiele. Den Davidstern habe er nach Beschwerden wieder entfernt. Er stehe aber zu seiner ursprünglichen Entscheidung, ihn zu verwenden. »Er war eines von vielen Symbolen, die für Dogmen stehen, die mir zuwider sind. Religiöse Dogmen wie der Judaismus, das Christentum und der Islam«, sagte Waters dem »Spiegel«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

In Frankfurt wollten die Stadt und das Land Hessen den Auftritt des Sängers wegen der Antisemitismusvorwürfe verhindern – sein Konzert am 28. Mai sollte abgesagt werden. Waters hatte aber gegen den Beschluss geklagt und im April Recht bekommen. Das Frankfurter Verwaltungsgericht berief sich in seiner Entscheidung unter anderem auf die Kunstfreiheit.

Bereits im März hatte die Stadt München aus rechtlichen Gründen entschieden, das Waters-Konzert in der dortigen Olympiahalle nicht zu verbieten – wenn auch widerwillig. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte damals, es sei unsäglich und unerträglich, das Konzert eines Künstlers zu gestatten, bei dem mit relativer Sicherheit israelkritische Propaganda, zum Teil auch deutlich antisemitische Parolen gedroschen würden. »Ich will ihn hier nicht haben, und wir müssen es jetzt ertragen.«

Solidarität Die Stadt werde rund um das Konzert Zeichen für Völkerverständigung, für internationale Solidarität und gegen Antisemitismus setzen, ebenso für das Existenzrecht Israels und die Souveränität der Ukraine, hieß es in München. Auch in Köln plant die Stadt am Tag vor dem Konzert eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung, mit der sie »Stellung gegen Antisemitismus« beziehen will.

In Berlin wird Waters gleich zweimal auftreten, am 17. und 18. Mai. Eine Handhabe gegen seine Konzerte hat der Senat nicht — auch da der Veranstaltungsort, die Mercedes-Benz Arena, von einem privaten Unternehmen betrieben wird. dpa/ja

Alle Beiträge zum Thema Roger Waters finden Sie hier.

Interview

»Gemeinsam forschen«

Enrico Schleiff über die Kooperation mit der Jüdischen Akademie, die Geschichte der Goethe-Universität und Proteste auf dem Campus

von Joshua Schultheis  30.10.2024

50 Jahre Judaistik-Fachverband

»Ein betont multidisziplinäres Fach«

Die Vorsitzende Katrin Kogman-Appel über die Entwicklung jüdischer Studien in Deutschland

von Ralf Balke  29.10.2024

Attentat

Fakt und Fiktion in schlüssiger Symbiose

Christof Weigolds Kriminalroman über den ungeklärten Brandanschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in München im Jahr 1970

von Helen Richter  27.10.2024

Netflix-Serie

Balsam für Dating-Geplagte? Serienhit mit verliebtem Rabbiner

»Nobody Wants This« sorgt derzeit für besonderen Gesprächsstoff

von Gregor Tholl  23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis des Thinktanks »Mena-Watch« ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Essay

Die gestohlene Zeit

Der Krieg zerstört nicht nur Leben, sondern auch die Möglichkeit, die Zukunft zu planen, schreibt der Autor Benjamin Balint aus Jerusalem anlässlich des Feiertags Simchat Tora

von Benjamin Balint  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024