Ein Objekt in der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums Wien (JMW) ist erst vor einem Jahr aus dem Stadtbild verschwunden. Der zuvor Dr.-Karl-Lueger-Ring betitelte Straßenzug heißt heute Universitätsring. Karl Lueger war der christlich-soziale Bürgermeister Wiens, der Ende des 19. Jahrhunderts vor allem durch seinen offenen Antisemitismus populär war. Das Straßenschild steht für den Umgang Nachkriegsösterreichs mit seiner Geschichte.
signal Die neue Dauerausstellung öffnet zwar erst Mitte November ihre Pforten, Museumsdirektorin Danielle Spera und Chefkurator Werner Hanak-Lettner präsentierten aber bereits Ende Juni das Konzept. Anstatt Geschichte chronologisch zu erzählen, soll der Besucher künftig die Historie der Wiener Juden von der Gegenwart aus erforschen. Im Erdgeschoss wird die Entwicklung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien von 1945 bis heute dargestellt. »Unmissverständlich wird dabei klar, dass die jüdische Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht auf die Unterstützung der österreichischen Regierung(en) zählen konnte – im Gegenteil«, betonte Spera.
Ein Signal sendet das Museum auch mit dem Titel der Schau Unsere Stadt! Jüdisches Wien bis heute. Er wird auf zahlreichen Plakaten schon vor der offiziellen Eröffnung der Dauerausstellung zu lesen sein und soll vermitteln: Die Wiener Juden sind Teil der Stadt. Abgebildet ist jeweils ein Objekt, das ab November zu sehen sein wird: das eingangs beschriebene Straßenschild, Theodor Herzls Fahrrad, ein Plakat der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgreichen Hakoah-Schwimmerinnen.
Der zweite Teil der Schau führt zurück in die Vergangenheit. Zunächst zur mittelalterlichen Gemeinde in der heutigen Innenstadt, dann in das Ghetto im damaligen Stadtteil Unteres Werd im 17. Jahrhundert, schließlich zur sogenannten Dritten Gemeinde um 1900, die nach Warschau und Budapest die drittgrößte jüdische Gemeinde Europas war. Der Rundgang endet mit der Schoa. Das Schaudepot in der dritten Etage präsentiert Objekte aus der Zeit der Dritten Gemeinde, die nicht von den Nationalsozialisten vernichtet wurden.
installation Gegenwart und Geschichte werden sich künftig zudem in einer Installation der zeitgenössischen Künstlerin Maya Zack verbinden, inspiriert von der »Guten Stube«, die einst Isidor Kaufmann 1899 für das erste Jüdische Museum in Wien entworfen hatte. Kaufmanns Werk sollte Nichtjuden eine Vorstellung des Schabbats als Familientag geben, gleichzeitig auch den assimilierten Wiener Juden einen Nostalgieraum bieten. Der Raum wurde 1938 von den Nazis zerstört, es gibt aber Fotos.
Vertreten war bei der Präsentation der neuen Ausstellung auch die Politik mit Bundeskulturministerin Claudia Schmied und dem Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Schmied betonte, passend zum Titel der Schau: »Wien und das Jüdische sind untrennbar miteinander verbunden. Jüdisches Leben und jüdische Kultur haben diese Stadt wesentlich mitgeprägt.« Mailath-Pokorny lobte den Zugang, den Schwerpunkt auf die Gegenwart zu legen: »Der bloße Blick zurück ohne kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart wäre gerade bei einem jüdischen Museum zu wenig.«
www.jmw.at