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»Tollpatsch Lemmel«: Jiddische Kinderbücher neu entdecken

Leyb Kvitko zählte Ende der 30er-Jahre zu den erfolgreichsten Kinderlyrikern der Sowjetunion

von Katrin Diehl  30.01.2024 14:04 Uhr

Leyb Kvitko zählte Ende der 30er-Jahre zu den erfolgreichsten Kinderlyrikern der Sowjetunion

von Katrin Diehl  30.01.2024 14:04 Uhr

Ab und zu finden literarische Texte über die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihnen ihren Weg zu einem Verlag. Schätze sind gehoben und verlangen danach, einer größeren Öffentlichkeit – und dazu gehören auch Kinder – präsentiert zu werden. So in etwa ist das einigen Kindergedichten passiert, geschrieben zwischen 1919 und 1947 vom jiddisch- und russischsprachigen Dichter Leyb Kvitko.

Kvitko, irgendwann Anfang der 1890er-Jahre in der Nähe von Odessa geboren, zählte Ende der 30er-Jahre zu den erfolgreichsten Kinderlyrikern der Sowjetunion. 1948 verhaftet, gehörte Kvitko zu den etwa 30 jüdischen Künstlern, die im Zuge der stalinistischen »Säuberung« in der »Nacht der ermordeten Poeten« am 12. August 1952 im Moskauer Lubjanka-Gefängnis erschossen wurden.

Sabine Koller, Professorin für Slawisch-Jüdische Studien an der Universität Regensburg, und Caroline Emig, am selben Lehrstuhl beschäftigt, haben sich dort im Rahmen eines Forschungsprojekts seit 2020 mit Leyb Kvitko befasst. Sie wandten sich mit sechs von dessen Gedichten über den Jungen Lemmel an Myriam Halberstam vom Berliner Ariella Verlag.

Daraus wurde das Bilderbuch Tollpatsch Lemmel, das sich an Kinder ab fünf Jahren richtet, seinen Publikumskreis aber auch bei an der jiddischen Literatur interessierten Menschen finden könnte. Für sie hängt ein ausführliches Nachwort zu Kvitko und dessen Lemmel-Gedichtezyklus an, der hier zum ersten Mal vereint in einem Buch erscheint: auf der linken Seite auf Deutsch gedruckt, auf der rechten im jiddischen Original (mit Punktierung) zu lesen.

Der kleine Lemmel (ein Tollpatsch ist er eigentlich gar nicht!) lebt in einer geborgenen Welt. Abenteuer, die er erlebt – und Erwachsene spielen nur sehr am Rande eine Rolle –, besitzen genau die zu ihm passenden Ausmaße. Alles ist überschaubar, sein Dörfchen, das Zimmerchen mit Kachelofen, der Weg von »Bembe nach Drembe«.

Die Geschichtchen hat man so oder auch ein bisschen anders schon einmal gehört. Sie haben etwas Vertrautes (natürlich fühlt man sich an Chelm erinnert, an Isaac Bashevis Singer und Scholem Alejchem). Inbal Leitner bebildert sehr kindgerecht, klar, lustig, in ruhigen Farben. Auf »jüdische Accessoires« verzichtete sie (umso köstlicher duftet es bei der Bobbe nach Knisches). Peter Comans übertrug wunderbar aus dem Jiddischen. Sprachliche Lebendigkeit, ein schwingender Rhythmus, auch Reime blieben erhalten und versetzen in eine gute Stimmung.

Leyb Kvitko/Inbal Leitner: »Tollpatsch Lemmel«. Ariella, Berlin 2023,
56 S., 18 €

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