Das fängt gar nicht gut an: Krieger lädt zu einer privaten Filmvorführung ein: »Nach dem, was er sagt, ist es was Japanisches, was echt Hartes. Mach dich auf einen Schock gefasst«, sagt Schoresch. Um fünf wollen sie bei Krieger sein, aber sie finden die Straße nicht, irren umher, fragen Passanten und einen Taxifahrer, dann einen Polizisten, der es ihnen erklärt und dann fragt: »Zu Krieger?«
Dort aber ist die Vorführmaschine kaputt, die Gäste müssen warten, bis Kriegers Sohn mit einem Ersatzteil kommt. Schließlich ruft Krieger seine Frau Sarka, die ihre Mutter im Rollstuhl ins Zimmer schiebt. Und dann sitzt die ganze Familie beisammen und schaut sich den Film an: einen Porno, der in Japan spielt. Aber kaum hat er angefangen, klingelt es an der Haustür: der Polizist.
Der 12-jährige Sohn verschwindet über den Balkon, Krieger behauptet, nicht zu wissen, was das für ein Film ist, Schoresch hätte ihn mitgebracht. Dann kommt ein zweiter Polizist, der den Jungen geschnappt hat. Die Ordnungshüter wollen den Film auch sehen. Die Vorstellung geht also wieder los, doch der zweite Polizist schläft sofort ein: Er leidet unter Narkolepsie. In der titelgebenden Erzählung Die Nachmittagsvorstellung passiert ständig Unvorhergesehenes, zum Schluss wird auch noch das Polizeiauto gestohlen.
absurd Es ist eine absurde Welt, in die uns Jehoschua Kenaz immer wieder hineinwirft. Manchmal ist alles normal mit kleinen Abweichungen, wie in der Erzählung vom Soldaten, der gebeten wird, eine Schuld für seinen Vorgesetzten zu übernehmen. Oder in der Story von dem alten Mann, der einen Schlaganfall hat und auf einen launischen, hektischen Arzt trifft. All das ist noch gut vorstellbar.
Aber schon beim Mädchen, das die deutschen Lager überlebt hat und jetzt spürt, dass zwischen ihren Fingern und am Ellbogen »wildes Fleisch« wächst, Fleisch der Deutschen, das sie wegschneiden lassen will, ahnt man den Wahnsinn. Nicht nur den des Mädchens, sondern der Welt, des unberechenbaren, oft bösartigen Lebens.
Denn über Kenaz’ Stories schwebt stets ein leicht bedrohlicher Ton, ein lauernder, kleiner Horror, der jederzeit ins normale Leben einbrechen kann. Umso mehr, als man ihn gar nicht recht festmachen kann. Dabei haben die sehr sicher und ruhig geschilderten Episoden viel Witz, manchmal Slapstick und Situationskomik, manchmal eine feine Ironie. Aber deutlich genug zeigen sie: Das Leben ist nicht sicher. Nicht für Juden. Nicht einmal in Israel.
Jehoschua Kenaz: »Die Nachmittagsvorstellung«. Übersetzt von Barbara Linner. Luchterhand, München 2012, 272 S., 18,99 €