Das Elend der deutschen Antisemitismusbekämpfung hat einen Namen: Uwe Birnstein. Der evangelische Theologe und Publizist hat sich vergangene Woche im Bayerischen Rundfunk Gedanken über Judenhass gemacht. Den gibt es nämlich nicht nur in der Mitte der Gesellschaft, sondern sogar in der eigenen Familie. »Da saß ich bei meiner geliebten Tante am Sofatisch, bei selbst gebackenem Eierlikörkuchen, der Kandis zischte unter dem heißen Tee, wir plauderten über dies und das.« Und über Halle. Womit man bei den Juden war. Mit denen hat es die Tante nicht so.
»Ja, mit den Juden, das sei aber auch schwierig. In der Pfalz, wo sie herkommt, da seien die Juden doch ziemlich geschäftstüchtig gewesen – sogar mehr als das: Hätten ganz normale Deutsche übers Ohr gehauen. Irgendwie würden die Juden auch im Hintergrund zusammenwirken und seien ziemlich mächtig in unserer Gesellschaft. Uff. Verdutzt musste ich die Kuchengabel niederlegen. Ich war sprachlos. Und zog mit einer niederschmetternden Erkenntnis von dannen: Antisemitismus gibt’s überall.«
So richtig scheinen Dialog und Begegnung nicht geeignet zu sein, Judenhass abzubauen. Dafür steht Birnstein höchstselbst.
Na, so was aber auch. Zum Glück weiß Uwe Birnstein, wie man dem beikommt. Nämlich erstens mit mehr Antisemitismusbeauftragten, jetzt auch in der Evangelischen Kirche, zweitens mit mehr Dialog: »Mit jüdischen Menschen reden. Ihre Gottesdienste besuchen. Mit ihnen feiern. Sie als Menschen kennenlernen. Denn Begegnung ist ein wunderbares Mittel, um Angst und Vorurteile vor Fremdem abzubauen und Interesse füreinander zu entwickeln. Ich werde meine Tante einladen, mit mir in eine Veranstaltung der Synagoge zu gehen. Und hinterher trinken wir dann dort Tee und kommen mit den Menschen ins Gespräch.«
DIALOG Mal abgesehen davon, dass Herr Birnstein hoffentlich vorher die Juden auch fragt, ob sie wirklich so scharf darauf sind, Antisemiten in der Synagoge als Gäste zu begrüßen und mit ihnen Tee zu trinken: So richtig scheinen Dialog und Begegnung nicht geeignet zu sein, Judenhass abzubauen. Dafür steht der Autor höchstselbst. Gibt man seinen Namen bei Wikipedia ein, erscheint dort unter dem Zwischentitel »Kontroverse« der Verweis auf einen Text, den Uwe Birnstein 2006 in der »Evangelischen Wochenzeitung für Bayern« veröffentlicht hat. Dort profilierte sich der Theologe als Nahostexperte.
Der »Ursprung der Gewalt« zwischen Israelis und Palästinensern liege nicht, wie allgemein angenommen, im 20. Jahrhundert, sondern sei 3000 Jahre älter, korrigierte Birnstein die gängige Geschichtsschreibung. Die »Unterjochung der Bevölkerung Palästinas« habe mit der Eroberung Kanaans angefangen, ließ er in einem fiktiven Interview mit dem biblischen Josua den Anführer der Israeliten schamerfüllt gestehen.
Uwe Birnsteins Tante hätte ihm da sicherlich zugestimmt. Ja, mit den Juden, das ist aber auch schwierig. Wohin sie kommen, machen sie Ärger. Das war schon immer so. Es steht ja sogar in der Bibel. Ihr Neffe, der Theologe, kann das bestätigen. Darauf einen selbst gebackenen Eierlikörkuchen!