Los Angeles

Talkshow-Moderator Larry King ist tot

Larry King im Jahr 2017 Foto: imago

Gefühlt gab es niemanden, der nicht bereit war, mit Larry King zu sprechen. US-Präsidenten von Gerald Ford bis Barack Obama, weltberühmte Musiker oder zurückgezogen lebende Schauspieler - sie alle saßen früher oder später King gegenüber. Mit seinem lockeren Interviewstil lockte er auch öffentlichkeitsscheue Prominente vor die Kamera und brachte die Berühmten und Mächtigen einem Millionenpublikum nahe.

KRANKENHAUS Am Samstag ist King im Alter von 87 Jahren in einem Krankenhaus in Los Angeles gestorben, wie der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf seinen Sohn berichtete. Auch auf dem Twitter-Profil des Moderators wurde die Nachricht bekanntgegeben. Die Todesursache wurde zunächst nicht mitgeteilt. Anfang Januar war bekannt geworden, dass King sich mit dem Coronavirus infiziert hatte und mit einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus lag. Über die Schwere seiner Erkrankung war zunächst nichts bekannt geworden.

King präsentierte Weltgeschichte nicht nur, er erlebte sie gemeinsam mit seinen Zuschauern. Seine »Street Questions« - solide und einfache Fragen, die auch »ein Typ auf der Straße« stellen würde -, zeigten selbst steife Staatschefs von ihrer menschlichen Seite. »Larry King Live« war eine Frage- und Antwortstunde für Amerika, verkörpert durch den New Yorker mit Hornbrille, Hemd und Hosenträgern. Schon bald nach ihrem Start im Jahr 1985 wurde die Show für CNN zum Aushängeschild. Sie blieb 25 Jahre auf Sendung, immer wochentags um 21 Uhr.

Schon bald nach ihrem Start 1985 wurde die Show »Larry King Live« für den Sender CNN zum Aushängeschild.

BIOGRAFIE Lawrence Harvey Zeiger wurde als Kind jüdischer Einwanderer aus Österreich und Weißrussland im Stadtteil Brooklyn geboren. Der Vater starb an einem Herzinfarkt. Die Mutter brachte die beiden Söhne mit ihrem Job als Schneiderin und mit Sozialhilfe durch. Larry träumte von einer Karriere im Radio, er redete gern und viel.

Auf Empfehlung eines TV-Ansagers zog er nach Florida, wo im wachsenden Radiomarkt Moderatoren gebraucht wurden. 1957 ging er erstmals auf Sendung. Den jüdisch klingenden Nachnamen Zeiger hielt sein Manager für »zu ethnisch« und schlug den Künstlernamen King vor, inspiriert von einer Spirituosen-Anzeige in der Zeitung.

Seine Jobs bei Radio und Zeitungen wankten, als King 1971 wegen schweren Diebstahls verhaftet und angeklagt wurde. Die Anklage wurde fallengelassen, doch es dauerte einige Jahre, bis er journalistisch wieder auf die Beine kam. Die beliebte »Larry King Show« im Radioverband MBS wurde dann Vorläufer zu seiner berühmten TV-Show ab 1985. Es wurde die erste Sendung, bei der Zuschauer anrufen konnten und live ins Fernsehen geschaltet wurden.

GÄSTE Bald kamen sie alle: Spitzenpolitiker, Sportler, amerikanische Helden und schräge Figuren. Sogar im Rennen ums Weiße Haus, so schien es, mussten Kandidaten erst an King vorbei - Unternehmer Ross Perot kündigte seine Kandidatur 1992 live in der Sendung an (und verlor). Den scheuen Marlon Brando holte King ebenso vor die Kamera wie die Beatles, Frank Sinatra, Lady Gaga und Rapper Snoop Dogg. 1995 brachte King mit Palästinenserchef Jassir Arafat, Jordaniens König Hussein II. und Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin sogar die drei Protagonisten des Nahost-Konflikts an einen Tisch.

Sogar ein Mann namens Donald Trump saß King gegenüber, allerdings 1999, als er noch Immobilienunternehmer war. Trump beeindruckte King: Mit einem Kommentar in der Sendung über Kings Mundgeruch habe er ihn überrascht, schrieb King in seinem Buch »Truth Be Told« von 2011. Trump sei fast eine »Karikatur seiner selbst« mit dem Konzept »Wahrnehmung ist Realität.« 2016 nannte King Trump einen »großartigen Freund«, zum Präsidenten wählen könne er ihn aber nicht.

HOSENTRÄGER Als »Gigant im Rundfunk« bezeichnete der damalige Präsident Barack Obama King, als dieser 2010 nach 25 Jahren das Ende von »Larry King Live« verkündete. CNN zufolge kam er in 53 Jahren im Radio und Fernsehen auf 50.000 Interviews und mehr als 6000 Sendungen im CNN-Archiv. Über seinen Kleidungsstil sagte King zum Abschied: »Was immer ich im Leben tue, die Hosenträger werden bleiben.«

Fast so turbulent wie in seiner Show ging es auch in Kings Privatleben zu: Achtmal heiratete er, darunter eine Frau zweimal, und wurde Vater von fünf Kindern, zwei davon starben vor ihm. 1997 heiratete er seine siebte Frau - die Ex-Sängerin und TV-Moderatorin Shawn Southwick - in einem Krankenhauszimmer in Los Angeles drei Tage vor einer Herzoperation. Schon 1987 hatte er einen Herzinfarkt erlitten und gab im Jahr darauf das Rauchen auf. Zuvor rauchte er bis zu drei Schachteln Zigaretten pro Tag.

Im Buch »Truth Be Told« erinnert sich King an die Planung seiner letzten CNN-Show, und wie ihm ein Radiomoderator in den Sinn kam. »Ich habe alle Fragen gestellt und alle Antworten gehört«, sagte dieser zu seinem Abschied aus dem Radio. »Ich nicht«, schreibt King. »Nach 53 Jahren fallen mir immer noch Fragen ein.«

Interview

»Ein großer Menschenfreund«

Campino über sein neues Buch, die Leidenschaft für Erich Kästner und Lyrik in Zeiten der Krise

von Nicole Dreyfus  26.11.2024

Fernsehen

»Kommt ein Vogel geflogen«

Wenn ein Papagei das Leben einer deutschen Familie mit jüdischem Elternteil ins Chaos stürzt

von Cosima Lutz  26.11.2024

Soziale Medien

Was Experten zur antisemitischen Radikalisierung bei TikTok sagen

Warnungen vor judenfeindlichen Inhalten

von Nikolas Ender  26.11.2024

Jubiläum

100 Jahre alt und weiter topaktuell: Thomas Manns »Zauberberg«

Der zum Katholizismus konvertierte Jude Leo Naphta ist eine der Hauptfiguren

von Karin Wollschläger  26.11.2024

Wissenschaft

Ist die Generation Selfie oberflächlich und selbstbezogen?

Dies ist nicht unbedingt der Fall, wie eine neue Studie aus Israel zeigt

 26.11.2024

Meinung

Nan Goldin: Gebrüll statt Kunst

Nach dem Eklat in der Neuen Nationalgalerie sollte Direktor Klaus Biesenbach zurücktreten

von Ayala Goldmann  25.11.2024

Hochschule

Das Jüdische Studienwerk ELES feiert sein 15. Jubiläum

Die Organisation will junge jüdische Studenten für das Gespräch stärken

von Stefan Meetschen  25.11.2024

Rezension

Trotzki-Biograf und Essayist

Isaac Deutschers Band »Der nichtjüdische Jude« zeigt Stärken und Schwächen des eigensinnigen Historikers

von Marko Martin  25.11.2024

Sehen!

Fluxus in Köln

Das Museum Ludwig widmet Ursula Burghardt und Ben Patterson eine Doppelausstellung

von Katharina Cichosch  24.11.2024