Yoav, Sie sind in Israel geboren, in Südafrika aufgewachsen. Gibt es bestimmte Klischees, die Menschen im Kopf haben, wenn Sie sagen, dass Sie aus Südafrika kommen?
Mittlerweile erlebe ich das nicht mehr so häufig. Als ich jünger war, ist mir das vor allem in den USA begegnet. Da hieß es gleich: »Oh, du kommst aus Südafrika, bist du ein Rassist?« Und ich habe gesagt: »Nein, das bin ich nicht. Du bist wohl eher einer, weil du mich danach beurteilst, wo ich herkomme.«
Gibt es für Sie als weißer, jüdischer Künstler einen Platz im südafrikanischen Musikmarkt?
Ich hoffe es. Mein letztes Album ist in Südafrika nicht besonders gut angekommen. Jetzt wird meine neue CD im Radio gespielt, die Leute reden darüber. Südafrika sieht sich gern als vielseitige Nation, deswegen hoffe ich, dass die Leute wach und offen genug sind, sich für Neues zu interessieren.
Hat sich das Land in den vergangenen Jahren stark verändert?
Ja, sehr. Alles ist offener geworden, es gibt mehr kulturelle Einflüsse von außen. Davon profitiert die Szene des Landes enorm. Vor allem haben sich die Geschichtsbücher verändert. Zunächst haben wir in der Schule viel über die heroischen ersten Siedler gelernt. Dann ging es plötzlich darum, wie die weiße Bevölkerung sich die Macht angeeignet hat, und Gesetze zu ihrem Vorteil angepasst wurden. Die Südafrikaner sind stolz darauf, dass die WM bei ihnen stattfindet. Ob das Ereignis gut oder schlecht für das Land sein wird, muss man abwarten.
Der südafrikanische Autor Deon Meyer meint, dass die Fußball-WM eine Chance für Schriftsteller sein kann, in Europa wahrgenommen zu werden. Gilt das auch für andere Künstler?
Wahrscheinlich eher für die etablierten, die in Südafrika bereits bekannt sind. Aber ich denke, wenn ein Künstler gut genug ist, werden die Leute früher oder später in jedem Fall auf ihn aufmerksam – dazu braucht es kein Sportereignis.
Wie lässt sich das jüdische Leben in Südafrika beschreiben?
Die hiesige jüdische Gemeinde war früher einmal eine der größten der Welt. In den letzten Jahrzehnten ist sie aber immer mehr geschrumpft. Viele sind nach Australien, England oder Amerika ausgewandert.
Welche Rolle spielt das Judentum in Ihrem Leben?
Ich war der einzige jüdische Junge in meiner Schule in Kapstadt, das heißt, ich war immer anders als die anderen. Ich hatte diesen komischen Namen, ich kam aus Israel. Die anderen Kinder kannten überhaupt keine Juden. Das war eine merkwürdige Art, aufzuwachsen. Kontakt zu anderen Juden hatte ich erst viel später. Meine Familie ist eher religiös als ich. Der spirituelle Aspekt am Judentum interessiert mich – Kabbala zum Beispiel. Aber dass ich bestimmte Bräuche oder Riten einhalte, kann ich nicht von mit behaupten. Um das richtig zu machen, muss man sich viel mehr damit beschäftigen. Für mich kommt eine einzige spirituelle Richtung aber nicht infrage. Ich lese viel über den Islam, das Christentum, will das alles kennenlernen.
Sie sind auf Tournee in Europa. Treffen Sie hier oft auf ein Schubladendenken?
Für die Leute ist es schwer, mich einzuordnen. Ich habe schon die unterschiedlichsten Sachen darüber gelesen, wo ich denn herkomme – mal war es Rumänien, dann Frankreich oder Kanada. Aber ob man mich in eine Schublade steckt, weiß ich nicht. Wenn ja, dann ist es auf jeden Fall immer eine andere Schublade.
Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Das ist schwer zu sagen. Meine Eltern leben immer noch in Kapstadt. Ich selbst liebe Kapstadt, aber es ist nicht wirklich mein Zuhause. Dafür bin ich zu selten dort. Ich glaube, ich brauche im Moment auch kein Zuhause, ich möchte mindestens noch an vier oder fünf verschiedenen Orten leben.
Sie haben einmal gesagt, sie wollen keine Klischees in ihren Liedern, sondern neue Geschichten erzählen. Funktioniert das?
Wer weiß? Ich denke, es ist wichtig, etwas Neues in der Musik zu versuchen. Ich bin einfach ein seltsamer Typ, der merkwürdige Sachen macht und nicht das normale Rock- oder Jazz-Album abliefert. Ich will in meiner Arbeit verschiedene Richtungen miteinander verbinden. Ich lasse mich treiben, höre viel Musik, halte die Augen offen und warte ab, welche Ideen dabei herauskommen.
Geschichtenerzählen, da klingt ein bisschen Ihr südafrikanischer Hintergrund an, oder?
Ich halte mich nicht für einen besonders guten Geschichtenerzähler. Ich bin ja nicht Bob Dylan. Geschichtenerzähler findet man in jeder Sprache der Popmusik. Obwohl. In Südafrika weniger. Es gibt einige südafrikanische Künstler, die mit ihrer Musik auch die Realität im Land wiedergeben wollen. »Die Antwoord« zum Beispiel, eine Gruppe, die den Hip-Hop parodiert. Frontmann Ninja ist eine Art Eminem von Südafrika: politisch extrem inkorrekt. Es galt lange Zeit als Tabu, die Regierung Südafrikas zu kritisieren. Und Ninja geht einfach hin und sagt »Hey, hier läuft einiges schief, wir haben eine Menge Korruption bei uns.« Das ist doch das Großartige, wenn man Musik macht: Man kann den Menschen vieles auf direktere Art und Weise mitteilen, als es zum Beispiel in einem Buch oder Film möglich wäre. Der Einfluss, den Künstler wie Bob Dylan, Bob Marley oder John Lennon hatten, hat mich – gerade in jungen Jahren – fasziniert. Ich war damals sehr antireligiös und auch in der Schule hatte ich immer das Gefühl, dass man mir nicht die letzte und alleinige Wahrheit erzählt. Das Gleiche galt für das Fernsehen oder die Zeitung – aber wenn ich mir dann zum Beispiel Pink Floyd angehört habe, hatte ich das Gefühl, da spricht jemand wirklich direkt zu mir. Jemand, der weiß, was ich gerade fühle. Dieses Gänsehautgefühl, zusammen mit einer richtig guten Melodie – das ist Magie.
Der 31-jährige Yoav Sadan machte 2008 mit einer Mischung aus Acoustic Pop, Hip-Hop und Elektro auf seinem ersten Album »Charmed & Strange« in Europa und Amerika auf sich aufmerksam. 2010 folgte »A Foolproof Escape Plan«.
www.yoavmusic.com