Lea Rosh gilt als streitbar und extrem hartnäckig. Aber mit ihrer Art hat sie viel erreicht: In den 80er-Jahren war sie bekannt für ihre »unnachgiebige Fragelust«, wie es ein Journalist einmal formulierte. Als erste Frau stand sie in den 90er-Jahren einer ARD-Rundfunkanstalt vor, dem NDR-Landesfunkhaus. Und ihr gelang, woran schon viele nicht mehr glaubten: Rund 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt Deutschland ein Holocaust-Mahnmal für die ermordeten Juden Europas. Heute feiert Lea Rosh ihren 85. Geburtstag.
Ihr Hang zum Mahnen und Erinnern begründet sich auch aus ihrer Biografie: Rosh wurde 1936 in Berlin geboren und wuchs mit ihren drei Geschwistern dort auf. Ihr Vater war Soldat und galt nach dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Ihre Mutter erzog sie trotz ihrer jüdischen Herkunft protestantisch: Sie war Enkelin eines jüdischen Opernsängers aus Österreich.
distanz Rosh distanzierte sich aber früh von der Kirche – unter anderem kritisierte sie deren Rolle im Nationalsozialismus – und trat schließlich aus der evangelischen Kirche aus. Sie bezeichnet sich seitdem als Atheistin. Zugleich legte sie ihren ursprünglichen Vornamen »Edith« ab, weil sie ihn »schrecklich deutsch« fand und nannte sich »Lea«. Später klagte sie erfolgreich gegen Kritiker, die ihr unterstellten, einen bewusst jüdisch klingenden Namen gewählt zu haben.
Beruflich machte Rosh schnell Karriere: Nach ihrem Studium arbeitete sie, die 1970 den Architekten Jakob Schulze-Rohr heiratete, als Radioreporterin und Fernsehmoderatorin. In den 80er-Jahren moderierte sie das Politikmagazin Kennzeichen D aus Berlin. Einem großen Publikum wurde sie auch als Moderatorin in den Talkshows III nach 9 und Freitagnacht bekannt.
Als erste Frau leitete sie von 1991 bis 1997 das NDR-Landesfunkhaus in Hannover. Einen Einstieg in die Politik – der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) bot ihr nach ihren Angaben ein Ministeramt an – lehnte sie ab, weil sie wieder journalistisch arbeiten wollte.
mahnmal So produzierte sie Anfang der 90er-Jahre ihren ersten Dokumentarfilm. Zusammen mit dem Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel drehte sie den Beitrag »Der Tod ist ein Meister aus Deutschland – Der Mord an den Juden Europas«. Damals entstand die Idee für den Bau eines Holocaust-Mahnmals in Berlin, der sich Rosh in den folgenden Jahren verschrieb.
Waren es zunächst nur eine Handvoll Unterstützer, gelang es Rosh nach der deutschen Wiedervereinigung, zunehmend auch Politiker von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Zugleich leistete sie Basisarbeit: Woche für Woche stellte sie sich auch selbst auf die Straße und sammelte Spenden. Schließlich konnte sie sich durchsetzen: Der Bundestag beschloss den Bau im Jahr 1999. Sechs Jahre später konnte das vom US-Architekten Peter Eisenman entworfene Stelenfeld mit einem Ort der Information schließlich eingeweiht werden.
Sie zeigte aber bisweilen aber auch mangelndes Feingefühl: So wollte sie den Zahn eines ermordeten Juden, den sie beim Besuch eines früheren Konzentrationslagers gefunden hatte, zusammen mit einem gelben Stern in das Denkmal einlassen. Erst nach heftiger Kritik ließ sie das Vorhaben fallen. Die Idee verstoße gegen wichtige jüdische Traditionen, zudem sei es verboten, »Souvenirs« aus einem ehemaligen KZ mitzunehmen, lauteten die Vorwürfe.
engagement Umtriebig ist Lea Rosh bis heute: So engagiert sie sich im Förderkreis für das Holocaust-Mahnmal und für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. Zudem solidarisierte sie sich mit der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin.
Im vergangenen Jahr hielt sie zum 75. Jahrestag des Weltkriegsendes eine Kanzelrede in der evangelischen Matthäus-Kirche in Berlin. Dort schilderte sie eindringlich ihr Schicksal nach Kriegsende, von der Rückkehr nach Berlin mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern und davon, wie sehr sie ihr Leben lang ihren Vater vermisste, der als Soldat nicht mehr aus dem Krieg zurückkam. So könnte der Titel der Anzeige, die sie im Frühjahr 2016 in Tageszeitungen mit anderen prominenten Unterstützern zur Unterstützung der Flüchtlingspolitik schaltete, auch ihr Lebensmotto sein: »Wir schaffen das!«