Frau Regev, Sie sind Mitglied der GWFF-Jury für den besten Erstlingsfilm bei der Berlinale. Was erwarten Sie von dem Festival und von der Arbeit in der Jury?
Die Berlinale bietet jedes Jahr die Möglichkeit, die interessantesten Filme des Jahres anzusehen – Filme, die die Grenzen der cineastischen Kunst herausfordern und sie auf eine neue Ebene heben. Als Mitglied der GWFF-Jury habe ich in diesem Jahr die Gelegenheit, die frischesten und vielversprechendsten Stimmen des zeitgenössischen Kinos zu sehen. Das ist unter anderem deswegen spannend, weil man die formale und thematische Verbindung innerhalb der Arbeit eines Regisseurs erkennen kann. Nicht weniger interessant ist es, einen Film aus einer noch ganz unbeschriebenen Perspektive zu sehen – einer Perspektive also, der solche Verbindungen fehlen. Und natürlich kann man im Nachhinein immer feststellen, wie sich der genetische Code des ersten Spielfilms in den weiteren Werken entwickelt, denn Erstlingswerke kommen im zeitgenössischen Kino sehr häufig vor. Es ist beinahe so, als ob viele der außergewöhnlichsten und interessantesten Filme der vergangenen Jahre Erstlinge waren. Ich freue mich darauf, viele neue Filme auf der Berlinale zu sehen.
Die GWFF-Jury bewertet Beiträge der nächsten Filmemacher-Generation. Welchen Rat geben Sie jungen Regisseuren?
Zum einen hätte ich den Rat, einen Film nur dann zu machen, wenn es unvermeidlich ist. Wir sprechen hier über eine ziemlich herausfordernde Unternehmung, die beinahe an das Unmögliche grenzt. Deswegen sollten sich nur die, die keine andere Möglichkeit sehen, darauf einlassen. Zum anderen denke ich, dass man ein tiefgründiges Wissen cineastischer Arbeiten haben sollte. Mit anderen Worten: Verbringen Sie so viel Zeit wie möglich im Kino! Drittens, und das gilt besonders für den ersten Film, sollten die Herausforderungen während der Produktion minimal sein. Man sollte sich lieber auf das konzentrieren, was einen guten Film ausmacht: Regie, Drehbuch, Kinematografie, Sound. Und zu guter Letzt gilt das, was für alle Künstler im Leben gilt: Strebt das Unbekannte an! Gebt nicht auf, denn eines wohnt allen Filmen inne: Sie werden vom Anfang bis zum Ende gemacht.
Vor welchen Herausforderungen steht ein Filmemacher heute?
Bei diesem Thema landet man schnell bei einer Diskussion über finanzielle Hürden einer Produktion oder über die Art und Weise, wie der digitale Wandel das Filmsehen verändert hat. Meiner Meinung nach ist die bedeutendste Herausforderung aber die künstlerische, nämlich einen guten Film zu machen.
Sie sind seit 2013 Direktorin der Jerusalemer Cinematheque. Auf welche Art von Film spezialisiert sich Ihr Haus?
Die Jerusalemer Cinematheque legt den Fokus auf eine Vielfalt von Filmen, die nicht in kommerziellen Kinos gezeigt werden – Filme also von künstlerischer Qualität, die verschiedene cineastische Ästhetiken und Bewegungen widerspiegeln. Unser monatliches Programm bietet über 100 Werke mit dem Besten des zeitgenössischen Films und umfassende Retrospektiven des israelischen und internationalen Films. Für uns ist es zudem wichtig, Begegnungen zwischen den Filmemachern und dem Publikum zu ermöglichen, Ausstellungen und Konzerte im Rahmen der Filme zu machen, Diskussionsveranstaltungen und Vorträge anzubieten, die neugierig machen und den Dialog über kulturelle und soziale Themen anregen.
Wie hat sich das Sehverhalten des israelischen Publikums in den vergangenen Jahren verändert?
Der bedeutendste Wandel betrifft wohl die Art und Weise, wie wir audiovisuelle Inhalte sehen. Diese hat auch Einfluss auf die Form des Films. Es gibt kleinere Bildschirme, Teleobjektive und schnellere Schnitte. In der Tat scheint es so, als ob Kinoliebhaber ihren anspruchsvollen Geschmack mit reaktionären Schritten befriedigen. Sie sehen sich Filme an, die darauf bestehen, den großen Spielraum, die Verzögerung und das langsamere Tempo, das wesentlich für die konventionelle Projektion eines Films auf der Leinwand ist, »auszubeuten«.
Die Fragen an die Direktorin der Cinematheque stellte Katrin Richter.
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