Lachisch – oder auch Tel Lachisch genannt – ist eine Fundgrube für Altertumsforscher. Gleich mehrfach machte die rund 45 Kilometer südwestlich von Jerusalem gelegene antike Stadt, die zugleich eine der wichtigsten Festungen des biblischen Königreichs Juda war, in den vergangenen Monaten Schlagzeilen.
So hatten österreichische Archäologen dort 2018 bei Ausgrabungen ein vier Zentimeter großes Keramikfragment mit Buchstaben entdeckt. Doch Scherben bringen nicht nur Glück, sondern auch neue Erkenntnisse, und zwar über die Entstehung und Verbreitung des Alphabets, wie es in einer Mitteilung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) heißt. Denn in ihrer im April veröffentlichten Auswertung des Fundes ist zu lesen, dass es sich dabei um einen »Missing Link« handelt, also ein wichtiges Bindeglied in der Schriftentwicklung.
SCHRIFTSYSTEME Standardisierte Zeichen lösten damals die Bildsprache ab. Offensichtlich hatten mehrere Schriftsysteme parallel existiert, weil ebenfalls kursiv geschriebene ägyptische Hieroglyphen zutage gefördert wurden. »Diese Keramikscherbe ist eines der frühesten Beispiele für alphabetische Schrift, das in Israel gefunden wurde«, sagt Felix Höflmayer vom Österreichischen Archäologischen Institut der ÖAW, Leiter des Forschungsprojekts an der Ausgrabungsstätte von Tel Lachisch.
»Allein ihr Vorhandensein bringt uns dazu, die Entstehung und Verbreitung des frühen Alphabets im Nahen Osten neu zu überdenken«, betont Höflmayer.
Das beschriftete Keramikfragment konnte auf das Jahr 1450 v.d.Z. datiert werden.
Das kleine Fundstück aus Lachisch selbst konnte auf das Jahr 1450 v.d.Z. datiert werden. »Ungefähr gleichzeitig mit dieser alphabetischen Schrift haben wir in Tel Lachisch auch Belege für hieratische Schrift, also kursiv geschriebene ägyptische Hieroglyphen, entdeckt. Hier haben de facto beide Schriftsysteme gleichzeitig existiert«, so der Forscher. »An keinem anderen Ort in der Südlevante hat man so viele Belege für frühalphabetische Schriftlichkeit gefunden wie in Tel Lachisch.« All das belege die Relevanz von Lachisch in der Bronzezeit, die ebenfalls in altägyptischen Dokumenten erwähnt wird.
Darüber hinaus konnte man im November bei Lachisch Waffen, verbrannte Holzbalken sowie eine 15 Meter mal 15 Meter große hellenistische Festungsanlage mit drei Meter dicken Mauern freilegen, die wohl 112 v.d.Z. konzipiert worden sei. Ihre Außenseiten hatten die Erbauer schräg errichtet, sodass man nicht einfach heraufklettern konnte. Laut israelischer Altertumsbehörde fand dort wohl vor 2100 Jahren eine Schlacht zwischen Hasmonäern und griechischen Seleukiden statt (vgl. Jüdische Allgemeine vom 25. November).
VERWÜSTUNGEN In einer Erklärung betonten die Grabungsleiter, die Ausgrabungsstätte liefere »greifbare Beweise für die Chanukka-Geschichte«. Weiter heißt es: »Es scheint, dass wir ein Gebäude entdeckt haben, das Teil einer befestigten Linie war, die von den hellenistischen Heerführern errichtet wurde, um die große hellenistische Stadt Marescha vor einer Offensive der Hasmonäer zu schützen« – jedoch mit mäßigem Erfolg, was die Verwüstungen deutlich zeigen würden.
Nicht zuletzt ist ebenfalls im November im »Oxford Journal of Archaeology« eine Studie israelischer und amerikanischer Wissenschaftler unter der Leitung von Yosef Garfinkel und Madeleine Mumcuoglu von der Hebräischen Universität Jerusalem sowie Jon W. Carroll und Michael Pytlik von der Oakland University erschienen. Die Forscher haben mithilfe von Drohnen-Luftaufnahmen und auf Basis biblischer und historischer Quellen eine detaillierte digitale Karte des Gebiets erstellt und die Schlacht um Lachisch aus dem Jahr 701 v.d.Z. modelliert. Auf diese Weise haben sie nachvollzogen, wie die Assyrer unter König Sanherib Lachisch vor rund 2700 Jahren belagerten und letztendlich einnehmen konnten.
Die Schlacht um Lachisch ist in biblischen Texten und auf antiken Steintafeln dokumentiert.
So seien täglich rund 160.000 etwa 6,5 Kilogramm schwere Steine in weniger als einem Monat zu einer Rampe zusammengesetzt worden. Dann wurden Holzbalken für Rammböcke verlegt, die man wohl an Metallketten aufhängte. Ein Indiz für den Einsatz einer solchen Technik ist eine ebenfalls dort gefundene Eisenkette.
BELAGERUNGSMASCHINEN All das war eine logistische Meisterleistung, auf die ihre Macher wohl voller Stolz zurückblickten. Denn die Schlacht um Lachisch ist bestens dokumentiert: etwa in biblischen Texten, aber auch auf zahlreichen antiken Steintafeln im Palast von Sanherib in dessen Hauptstadt Ninive, die sich im heutigen Irak befindet. Die dort abgebildeten Szenen, die genau diese Rampen und die Belagerungsmaschinen zeigen, schildern sehr detailverliebt die Eroberung und Plünderung durch König Sanherib.
Und in den überlieferten Annalen dazu ist die Rede von 64 »stark umwallten« Festungen, die er in der Region bei seinem Feldzug erobert haben soll. Doch nur eine davon ist namentlich genannt, und zwar Lachisch – auch das ein Hinweis auf die große Bedeutung der Stadt.
Unterdessen planen Yosef Garfinkel und seine Forscherkollegen Ausgrabungen vor Ort, von denen sie sich zusätzliche Erkenntnisse zum Vorgehen der assyrischen Armee und zur Konstruktion der Belagerungsrampe erhoffen. Es ist also mit weiteren Nachrichten aus Tel Lachisch zu rechnen.