Architektur

Stefan Zweig unterirdisch

Stein auf Glas: Modell der neuen Nationalbibliothek Foto: Herzog & de Meuron

Leichte Vitrinen unter einem schweren, geschwungenen Dach aus Stein – so soll nach dem Willen der Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron der Neubau der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem aussehen. Die obere Steinfassade liegt über einem betont transparenten Erdgeschoss, durch dessen Glasfassade Passanten die Sammlung, die Lesesäle und die öffentlichen Räume der Bibliothek werden sehen können.

Der Standort könnte kaum prominenter sein – mitten im Regierungsviertel zwischen Knesset und Nationalmuseum, dem Obersten Gerichtshof, dem Wissenschaftsmuseum und der Hebräischen Universität.

konkurrenz Herzog und de Meuron haben sich in einem Auswahlverfahren für den Neubau unter sechs Konkurrenten durchsetzen können, darunter so große Namen wie Frank Gehry aus Amerika und Renzo Piano aus Italien, sowie Architekturbüros aus Israel selbst, wie Ammar Curiel, Kimmel Eshkolot und Kolker Kolker Epstein.

Dieses Verfahren war der zweite Anlauf für den Neubau der Nationalbibliothek: Einen ersten Wettbewerb hatte der israelische Architekt Rafi Segal schon im Jahr 2012 gewonnen. Nach Vorwürfen von Urheberrechtsverletzungen musste die Bibliothek jedoch ein neues Verfahren lancieren, das die Schweizer gewannen, ohne einen Entwurf eingereicht zu haben. Sie überzeugten die Jury allein mit ihrem Konzept und ihren Referenzen.

preziosen Mit dem Neubau erhält Israels Nationalbibliothek erstmalig ein eigenes Gebäude. Die Bibliothek, die bis in die 70er-Jahre unter der Leitung deutsch-jüdischer Wissenschaftler stand, war bis 2010 als Teil der Hebräischen Universität im Lady-
Davis-Bau von 1960 untergebracht. Zu den Preziosen des Bestands von 5,5 Millionen Bänden zählen die Nachlässe von Walter Benjamin und Stefan Zweig. Seit 2011 ist die Nationalbibliothek, die größte Bibliothek Israels, eigenständig.

Die Basler Architekten bringen die etwa 34.000 Quadratmeter Nutzfläche auf sechs Obergeschosse verteilt unter. Hinzu kommen noch vier Untergeschosse für das Archiv. Der mit 19.000 Quadratmeter größere Teil der Flächen liegt unter der Erde.

Unter dem skulpturalen Dach planen Herzog & de Meuron einen großen Lesesaal, der von einer kreisrunden Deckenöffnung, »Oculus« genannt, belichtet wird. Darunter liegen Arbeitsplätze und der Freihandbestand der Bibliothek. Unwillkürlich erinnert der Entwurf an den »Schrein des Buches« des nahen Israel-Museums, dessen Betondach mit weißen Keramikfliesen Friedrich Kiesler 1960 entwarf und das zu Recht als eine architektonische Perle Israels gilt.

schätze Nach der »City of Justice« ist die Nationalbibliothek bereits das zweite wichtige Bauwerk Jerusalems, das in der Schweiz entworfen wird. Das Büro Herzog & de Meuron wurde 1978 in Basel von Jacques Herzog und Pierre de Meuron gegründet und bearbeitet heute mit 330 Mitarbeitern Projekte in aller Welt, darunter die Elbphilharmonie in Hamburg, die Tate Modern in London (2011), das Olympiastadion in Peking (2008) und die Allianz-Arena in München (2005).

David Blumberg, Direktor der Nationalbibliothek von Israel, sieht in dem Schweizer Entwurf »die führende Rolle der Bibliothek als Hort der Sammlung und Bewahrung der Schätze des jüdischen Volkes in Israel und der Welt reflektiert«. Der Baubeginn ist für 2016 geplant, die Fertigstellung soll 2019 erfolgen. Die Realisierung geschieht in Zusammenarbeit mit Mann Shinar Architects aus Tel Aviv.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025