In Fachkreisen wird er schon länger als »einer von Englands hervorragendsten jungen Musikern« gehandelt. Doch es hat seine Zeit gedauert, bis sich auch auf dem Festland herumgesprochen hat, warum der 1977 geborene Cellist, Cembalist und Dirigent Jonathan Cohen zu den gefragtesten Musikern seiner Generation zählt.
Ihn zu bestaunen, ist nun nicht nur dank mehrerer neuer CDs des Musikers möglich, sondern auch bei zwei Konzerten. Die beiden Auftritte in Köln (25. Dezember) und München (21. Januar 2016) stehen symptomatisch für einen Musiker, der sich auch gerne außerhalb seiner Komfortzone bewegt.
Komfortzone Aber was bedeutet eigentlich Komfortzone bei einem Mann, der zuletzt mit der jungen Star-Geigerin Vilde Frang ein umjubeltes Mozart-Album aufgenommen hat, um fast zeitgleich mit den Sopranistinnen Christiane Karg und Anna Prohaska ein weites Feld zwischen Monteverdi, Haydn und Mendelssohn zu beackern?
Jonathan Cohen ist, was seine Zuordnung zu einer bestimmten Musik-Epoche angeht, schwer zu fassen. Cohen ist nicht nur in der Alten Musik zu Hause, sondern auch in der Klassik. Seine Vielseitigkeit spiegelt nicht zuletzt das Programm beim Konzert in der Kölner Philharmonie am 25. Dezember mit der Solistin Veronika Eberle an der Geige, bei dem Haydn, Mozart und Bacewicz gespielt werden.
Auch das Programm des zweiten Konzerts in München am 21. Januar, bei dem Kristian Bezuidenhout am Klavier auftritt, steht für Vielseitigkeit. Neben den Barockkomponisten Henry Purcell und William Boyce werden Mozarts seltene Zwischenaktmusiken aus Thamos, König in Ägypten gespielt.
Barock Als Dirigent Neuer Musik hat Cohen hingegen weniger Erfahrung. Das dürfte sich jetzt ändern, da er vom Münchner Kammerorchester eigens für die beiden erwähnten Auftritte berufen wurde. »Ich bin nicht zum Barockspezialisten ausgebildet worden«, sagt Cohen, »sondern in allen Sparten der Musik. Mein Spezialistentum in Barock und Klassik kam erst später.«
Schon während seiner Zeit als professioneller Cellist hatte sich Cohen zunehmend für Kammermusik interessiert und kam so über die Barockmusik zum Cembalo. Nachdem er in Frankreich bei William Christies Barock-Ensemble »Les Arts Florissants« assistierte, begann er am Cembalo Sänger zu begleiten und später ganze Opernproduktionen zu führen. »Und schließlich habe ich vor fünf Jahren das Arcangelo-Ensemble gegründet, das sich nicht nur auf Barock und Klassik konzentriert, sondern jüngst sogar Zeitgenossen wie Benjamin Britten gespielt hat.«
Von Arcangelo sind bislang zwölf Alben erschienen. Jüdische Musik indes ist bislang nicht darunter. »Ich bin überhaupt nicht religiös. Die Jüdischkeit kommt von der Familie meines Vaters und meiner Großmutter, die vor Kurzem mit 102 Jahren gestorben ist.« Die Jüdischkeit seiner Großmutter hat Cohen zwar nicht übernommen, dafür aber ihre Liebe zur Musik. »Sie war eine Amateurgeigerin, die meine Entscheidung, Musiker zu werden, sehr stark beeinflusst hat.«
Selbst wenn sich Jonathan Cohen im Alltag nicht um Jüdischkeit kümmert – religiöse Dinge werden ihm spätestens immer dann wichtig, wenn er Sakralmusik aufführt. »Und was könnte es Schöneres geben als die Musik eines Johann Sebastian Bach?«