Wer in Deutschlands Innenstädten unterwegs ist, wird sie kennen: die meist jungen, fast schon suspekt freundlichen Leute, die einen davon überzeugen wollen, für gemeinnützige Organisationen zu spenden. Die eigenen Kontodaten lockermachen, während man durch die Fußgängerzone hetzt – wirklich verlockend ist das nicht. Vielleicht liegt es daran, dass das Fundraising nicht den besten Ruf genießt?
Mit der Philanthropie hingegen verbinden viele etwas Positives. Dabei hängen Fundraising und Philanthropie unmittelbar miteinander zusammen. Inwiefern, darüber tauschten sich nun verschiedene Experten auf einer Tagung in Frankfurt am Main aus.
»Geld sucht Geist – Zum Zusammenhang von Fundraising und Philanthropie« lautete ihr Titel, eingeladen hatte die Bildungsabteilung im Zentralrat der Juden. In verschiedenen Vorträgen und Diskussionen wurde das Verhältnis von Geld und Sinn ausgelotet und danach gefragt, was Menschen dazu bewegt, Geld zu spenden, wann Geld zu einer geistvollen Investition wird und welche Motivationen sich beim Geben und Stiften finden lassen.
DENKFALLEN Einer der vortragenden Referenten war Georg von Schnurbein, der an der Universität Basel das Center for Philanthropy Studies leitet. Vorgestellt wurde er als »der Mann für Stiftungsmanagement«, in seinem Vortrag klärte er zunächst über typische Denkfallen auf, die da wären: Fundraising ist böse, Philanthropie gut, Philanthropie ist wichtig, Fundraising unnütz.
Von Schnurbein machte klar: Ohne Fundraising würde es deutlich weniger Philanthropen geben. Die meisten Menschen würden nämlich nicht wegen ihrer Werte, ihrer Religion oder des sozialen Status spenden, sondern weil man sie fragt. Fundraising bedeute, durch systemische Analyse, Planung und Durchführung alle nötigen Ressourcen für einen gemeinnützigen Zweck zu beschaffen, so der Wissenschaftler. Was Philanthropie in diesem Zusammenhang bedeutet, auch darüber klärte er auf.
Philanthrop ist demnach nicht, wer sich à la Mutter Teresa für andere opfert, die eigene Niere spendet oder auf andere Weise das eigene Wohlergehen einschränkt. Philanthropie bedeute, das zu geben, was man übrig hat, oft in der Hoffnung, dass einem an anderer Stelle etwas Gutes widerfährt. Wichtig hierbei sei auch, dass Philanthropie nicht abhängig vom Kontostand ist. Sie sei eine freiwillige, private Handlung für einen gemeinnützigen Zweck, hält von Schnurbein fest. Ideal sei es, wenn die Werte einer Person mit gesellschaftlichen Notwendigkeiten zusammenkommen. Wenn ein Spender sich überzeugt einsetzt, anstatt nur einen Batzen Geld zur Verfügung zu stellen.
UNTERSCHIEDE Zudem zeigte der Forscher auf, wie sich der Umgang mit Philanthropie von Kultur zu Kultur unterscheiden kann. In Europa werden gemeinnützige Taten beispielsweise viel mehr als Teil der Privatsphäre gehandelt. In Israel und den USA hingegen sind Spender oft viel sichtbarer, was laut von Schnurbein wichtig sei. Es brauche schließlich Vorbilder.
Ohne Fundraising würde es deutlich weniger Philanthropen geben.
Auch Philipp Hof war als Referent geladen. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens »Haus des Stiftens« in München und betreut in dieser Funktion 1500 Stiftungen in Deutschland. Stifter seien laut Hof alle Privatpersonen, die mehr als 50.000 Euro ihres eigenen Vermögens für die Lösung einer gesellschaftlichen Aufgabe an Dritte geben.
Die Gründe für ihr Engagement könnten dabei aber kaum unterschiedlicher sein. Die einen stiften aus einer individuellen Überzeugung heraus, andere, weil sie sich Anerkennung wünschen. Wieder andere, weil sie ihren Kindern und Enkeln einen Zugang zum Stiften geben wollen. Und wieder andere, weil Dritte es von ihnen erwarten. So sei es beispielsweise bei Thomas Gottschalk gewesen, der eines Abends mit seinen Freunden beim Essen saß und bei dieser Gelegenheit feststellen musste, dass er der Einzige am Tisch war, der sich noch nicht für Gemeinnütziges einsetzte.
PERSPEKTIVE Die Tagung deckte aber nicht nur die Perspektive der Spender und Stifter ab, sondern auch jener Organisationen, die Geld erhalten. Stellvertretend dafür sprach Katja Deckert, die das Fundraising-Team des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) leitet. Vom Investor bis zum Altruisten, auch sie kennt die verschiedenen Gesichter der Spender und hielt fest, dass es für sie meist nur Mischformen gebe.
Deckert wies zudem darauf hin, dass viele Organisationen das Wort »gemeinsam« nutzen. Doch wollen Organisationen wirklich ein »Gemeinsam«? Auch der NABU verwendet dieses Wort auf seinen Webseiten, für Deckert bedeute dies aber nicht, dass Spender sich auf eigene Faust neue Projekte überlegen oder Aufgaben jenseits ihres Ehrenamtes übernehmen. Gemeinsam bedeute für den NABU: Mitglied werden, spenden, begeistert sein und bleiben. Genauso verpflichtet sich der NABU, offenzulegen, was mit Spendengeldern passiert.
Zu dem Thema »Modernes Mäzenatentum – Herausforderungen und Chancen« fand außerdem ein Panel mit Konrad von Bethmann statt. Er ist ehrenamtlicher Fundraiser und Nachfahre einer seit dem 18. Jahrhundert in Frankfurt am Main ansässigen Bankiersfamilie. Bethmann betonte, dass Stiftungen heutzutage immer mehr Öffentlichkeitsarbeit machen müssten und es insbesondere in einem so starken Sozialstaat wie Deutschland herausfordernd sei, Menschen zum Spenden zu motivieren. An anderer Stelle hob er die Bedeutung von jüdischen Mäzenatenfamilien in Frankfurt am Main hervor, die jahrhundertelang in die kulturelle Entwicklung der Region investierten und beispielsweise die Gründung der Goethe-Universität möglich machten.
VORZEIGEPROJEKT Wer zwei Tage lang über den Zusammenhang von Geld und Geist nachdenkt, will schließlich auch ein Vorzeigeprojekt kennenlernen. So endete die Tagung mit einem Vortrag von Andrei Kovacs, leitender Geschäftsführer des Projektes »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Binnen kurzer Zeit gelang es Kovacs und weiteren Initiatoren, einen breiten Förderkreis aufzubauen und Kommunen, Kirchen sowie andere Einrichtungen in allen Bundesländern dazu zu motivieren, Veranstaltungen zur jüdischen Sichtbarkeit zu organisieren.
Anders als der NABU plädierte Kovacs dafür, dass Stiftungen die Ideenfindung auch abgeben sollten. Anderen die Lorbeeren zu überlassen, habe bei »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« dazu geführt, dass sich Menschen noch mehr in das Festjahr eingebracht und das eigentliche Ziel – die Sichtbarkeit jüdischen Lebens – vorangebracht haben.
Ob nun mit oder ohne Lorbeeren, die Bilanz des Deutschen Spendenrates zeigt so oder so einen deutlichen Trend: Im Jahr 2021 spendeten die Deutschen 5,8 Milliarden Euro – so viel wie schon lange nicht mehr. Etwa 20 Millionen Menschen gaben ihr Geld an gemeinnützige Organisationen oder Kirchen, also knapp ein Drittel der Bevölkerung. Ein Jahr zuvor waren es noch eine Million Menschen weniger. Daran habe sich 2022 trotz Inflation und Energiekrise nichts geändert, wie der Spendenrat kürzlich in Berlin bekannt gab. Und wem gebühren die Lorbeeren hierfür? Sicherlich dem ein oder anderen fleißigen Fundraiser.