Im Anfang war die Zugabe »Prayer«. Immer wieder spielte die Starcellistin Sol Gabetta das Werk von Ernest Bloch (1880–1959) bei ihren weltweiten Auftritten und stellte fest, dass diese Komposition das Publikum enorm ansprach. »Prayer« sei »sinnlich und besinnlich« zugleich, sagt die 33-Jährige; in den Konzertsälen wecke es »Betroffen- und Ergriffenheit«. Auch sie selbst finde durch das Stück zu innerer Ruhe.
Aus den Erfahrungen mit »Prayer« entstand vor drei Jahren Gabettas Idee, ein Album mit jüdischen Werken des 20. Jahrhunderts einzuspielen. Die jetzt herausgekommene CD, auf der sie vom Orchestre National de Lyon und der Amsterdam Sinfonietta begleitet wird, enthält überwiegend Kompositionen Blochs. Die Werke des Schweizers sind von der traditionellen Synagogalmusik geprägt. Der Komponist stammte aus einer religiösen Familie, sein Vater war Rabbiner in Genf.
ernest bloch Neben den Skizzen für Cello und Piano »From Jewish Life«, zu denen auch »Prayer« gehört, spielt Gabetta auf ihrem Guadagnini-Cello von 1759 vier weitere Stücke Blochs: »Baal Shem«, »Meditation hébraique« und »Schelomo«. Die 33-Jährige baut in diese großformatige sinfonische Dichtung Spannungsbögen ein, die zum pessimistischen Schluss hinführen. Hier, wie bei den anderen Aufnahmen, spürt man die Energie und Leidenschaft der Argentinierin für diese Werke. Ihr Album ist eine Hommage an die jüdische Musik.
Zu Blochs Kompositionen hat Gabetta auf der CD vier Stücke aus Dimitri Schostakowitschs »Lieder aus der jüdischen Volkspoesie« gestellt. Die hatte der – nichtjüdische – russische Komponist 1947 als stillen Protest gegen die antisemitischen Tendenzen in der Sowjetunion komponiert.
Die jiddischen Texte in Schostakowitschs ursprünglicher Komposition erzählen vom traditionellen jüdischen Leben im jüdischen Ansiedlungsgebiet Russlands und Osteuropas. Sol Gabetta, deren eigener Vater aus Russland stammt, hat die Vokalstücke für Cello und Streichorchester umschreiben lassen.
Sol Gabetta: »Prayer«. CD. Sony Classical 2014, 17,99