Seit Donnerstag geht der israelisch-palästinensische Konflikt auf den Bildschirmen weltweit in die dritte Staffel. Auch jetzt riskiert der israelische Undercover-Offizier Doron Kavillio (Lior Raz) in der Serie Fauda im Kampf gegen Terroristen wieder Kopf und Kragen.
Der Plot beginnt friedlich. Doron alias Abu Fadi gibt in der Kleinstadt Daharia unweit von Hebron einem palästinensischen Teenager Boxunterricht. Doch Abu Fadis Engagement für den sportlichen ambitionierten jungen Palästinenser ist lediglich ein Vorwand. Es ist eine List, um das Vertrauen des Clans zu gewinnen, dem der junge Faustschläger angehört.
Denn Undercoveragent Doron will sich Zugang zum Clan verschaffen, weil ein Erzterrorist, der auf der Liste des israelischen Geheimdienstes ganz oben steht, ein prominentes Mitglied ist. Schnell wird der Plot komplizierter, als er anfänglich scheint: Ehe er es sich versieht, muss Doron seine Fahndung auf Gaza ausdehnen, das von radikalen Islamisten kontrolliert wird. Das sorgt für höchste Spannung. Denn israelische Geheimagenten, die in Gaza entlarvt werden, müssen mit dem Schlimmsten rechnen.
REPORTER »Wir wollen auch in der neuen Staffel den israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt in seiner ganzen Komplexität zeigen«, sagt Avi Issacharoff, der zusammen mit Lior Raz das Drehbuch geschrieben hat.
Co-Drehbuchautor Avi Issacharoff, der früher in einer Kommandoeinheit im Westjordanland diente, berichtet seit etlichen Jahren für israelische Medien über den Nahostkonflikt.
Beide sind Insider der israelisch-palästinensischen Dauerfehde. Raz war während Jahren Mitglied einer Undercover-Einheit der israelischen Armee und spielt sich jetzt sozusagen selbst. Issacharoff, der früher in einer Kommandoeinheit im Westjordanland diente, berichtet seit etlichen Jahren für israelische Medien über den Nahostkonflikt.
Der 47-jährige Reporter, der sowohl in Gaza als auch im Westjordanland bestens vernetzt ist, weiß aus eigener Erfahrung: Recherchen in Gaza sind mitunter riskant. Als er zum Beispiel im Süden des Gazastreifens einmal befürchten musste, in einen Hinterhalt von Extremisten zu geraten, wies er seinen Fahrer an, die Hauptstraße zu meiden und ihn auf einer Zickzackroute zur israelischen Grenze zu fahren, um seinen Verfolgern zu entkommen.
REALITÄT »Mit Fauda habe ich die Realität, die ich als Reporter erlebe und beschreibe, in eine Fiktion verwandelt«, sagt Issacharoff. »Wir versuchen, die Serie so authentisch wie möglich zu gestalten, lassen aber gleichzeitig unsere eigene Fantasie spielen. Das Drama soll dem Zuschauer ein Gefühl für die Wirklichkeit vermitteln, ohne aber den Anspruch zu erheben, ein Dokumentarfilm zu sein.«
So sei der Terroristenführer Abu Fauzi, der im Laufe der dritten Staffel gejagt wird, dem einstigen Chef der Al-Kassam-Brigaden nachempfunden: Ibrahim Hamad.
Hamad, nach dem israelische Truppen während sechs Jahren gesucht hatten, wurde vor acht Jahren von einem israelischen Militärgericht zu 54 lebenslänglichen Gefängnisstrafen verurteilt. Er hatte von 2001 bis 2006 im Westjordanland zahlreiche Terroroperationen gegen israelische Ziele koordiniert, bei denen 46 Menschen ermordet und mehr als 400 verletzt wurden.
SPANNUNGSFELD Trotzdem sagt Issacharoff: »Uns gefiel seine Identität sehr gut, weil er wirklich in seine Frau verliebt war. Und so haben wir das komplexe Spannungsfeld seines Charakters – Mörder und gleichzeitig Liebhaber – für unser Drehbuch gestohlen«, meint Issacharoff, der zusammen mit Raz derzeit an der vierten Staffel von Fauda arbeitet.
Gedreht wurde in zwei arabischen Städten in Israel sowie in einem Militärlager, wo Soldaten in einem palästinensischen Attrappendorf sonst den Ernstfall üben. Im Vergleich zu Hollywood sei das Budget für die Produktion »wirklich nichts« – aber dennoch hat die »New York Times« Fauda Ende 2019 als achtbeste Serie des Jahrzehnts gerühmt.
»Wir hoffen«, so Issacharoff, »mit unserer Serie eine Brücke zwischen Israeli und Palästinensern schlagen zu können, indem wir die Schwierigkeiten auf beiden Seiten des Konflikts zeigen.« Klar, es sei eine israelische Produktion, und das israelische Narrativ überwiege deshalb, meint er. Aber Fauda handle auch davon, dass Palästinenser »leiden, weinen und lieben«. Dies werde in den israelischen Medien allzu oft unterschlagen, was dem Schwarz-Weiß-Denken Vorschub leiste.
KRITIK »Weil wir von mehreren Seiten kritisiert werden, wage ich die Behauptung: Einseitig sind wir nicht«, meint Issachoroff. »In Israel werfen uns rechte Kreise vor, wir würden palästinensische Terroristen nicht ausschließlich als brutale Bösewichte, sondern auch als Menschen darstellen. Von linker Seite wiederum wird uns vorgehalten, Fauda zeige die wahre Fratze der Besatzung nicht. Weder Siedler noch Siedlungen, weder die alltäglichen Schikanen noch die routinemäßigen Brutalitäten gegenüber den Palästinensern würden thematisiert.«
Issacharoff weiß, dass etliche Palästinenser ungeduldig auf die dritte Staffel gewartet haben.
Auch bei den Palästinensern gebe es Kritiker. Sie bezeichnen Fauda als eine Art Werbefilm für israelische Soldaten. »Aber ich weiß, dass etliche Palästinenser unsere Serie lieben.« Allerdings würden sie das von Gaza aus nie einem ausländischen Reporter am Telefon sagen, weil sie befürchten, dass sie dann von der Hamas als Kollaborateur abgestempelt würden. Die BDS-Bewegung, die zur weltweiten Ächtung Israels aufruft, forderte nach der zweiten Staffel sogar, Fauda zu ignorieren.
»Das war dumm, verlogen und letztlich erfolglos«, sagt Issacharoff. Denn sogar die radikal-islamische Hamas habe geheime Abkommen mit Israel geschlossen, kooperiere jetzt während der Corona-Krise mit Israel und verhandle in diesen Tagen mit Jerusalem über einen Gefangenenaustausch.
Issacharoff weiß, dass etliche Palästinenser ungeduldig auf die dritte Staffel gewartet haben: »Vor einigen Wochen erhielt ich einen Anruf eines ›sehr engen Beraters‹ von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Der hatte nur eine Frage an mich: ›Wann ist die dritte Staffel von Fauda auf Netflix zu sehen?‹«