»We will dance again«, so lautet der Slogan der Nova-Überlebenden. »Wir werden wieder tanzen.« In Gesprächen erzählen mir viele, dass es nach dem Festival-Massaker vom 7. Oktober wichtig war, wieder zu tanzen, zu feiern, zu raven. Einerseits, um einer posttraumatischen Belastungsstörung vorzubeugen, damit man wieder lernt, auf Partys zu sein, ohne in Panik und Angstzustände zu verfallen. Andererseits, damit die Terroristen nicht gewinnen, die alles bekämpfen wollen, wofür das Nova steht – Freiheit, Gleichheit, Liebe.
Doch seit dem Schwarzen Schabbat ist die Welt, in der sie noch feiern können oder wollen, plötzlich sehr klein geworden. A lonely planet. Vor der Nova-Ausstellung in New York im Juni skandierten Hunderte Menschen »Long live the intifada«. Eine Demonstrantin begründete die Aktion damit, dass das Nova-Festival »neben einem Konzentrationslager« stattgefunden habe.
Es war kein Einzelfall. In den zwölf Monaten seit dem 7. Oktober hat die globale elektronische Musikszene versagt. Sie hat immer wieder Menschen verteidigt, die Terror als »Widerstand« romantisieren oder die sexualisierte Gewalt der Hamas leugnen. Und sie hat die Werte verraten, für die sie einst stand – Emanzipation, die Überwindung von Identitäten, das euphorische Zusammenkommen, Frieden. Heute heißt es allzu oft: keine Zionisten auf der Tanzfläche. Oder: »Yallah Intifada«. Die Solidarität mit Juden und Israelis bleibt aus.
Ein barbarisches Blutbad gegen junge Menschen
Bis heute hat die Szene keine angemessene Sprache gefunden, um das zu beschreiben, was auf einem Acker neben dem Kibbuz Re’im passiert ist: Ein barbarisches Blutbad gegen junge Menschen, die nichts anderes wollten, als das Leben zu feiern. 364 von ihnen ermordeten palästinensische Killerkommandos – fast die Hälfte aller zivilen Opfer an diesem Tag. Viele weitere wurden vergewaltigt, verstümmelt oder verschleppt.
Wie soll man noch mit Menschen tanzen, die das nicht verurteilen wollen, die das sogar gutheißen? Seit dem 7. Oktober ist es sehr einsam geworden. Aber die Überlebenden des Nova-Festivals geben nicht auf. Sie tanzen weiter.
Der Autor ist Redakteur bei der »taz« und lebt in Berlin.