Schon zu Lebzeiten war Serge Gainsbourg eine Ikone. Atemberaubend nicht nur, in welchem Tempo er Chansons der Extraklasse für fast alle bekannten französischen Sängerinnen und Sänger produzierte, sonder auch, mit welchen prominenten Schönheiten der Mann mit dem wirklich nicht hübschen jüdischen Punim Affären hatte. Gainsbourg war die französische Verkörperung des Sex & Drugs & Rock ’n’ Roll.
Wie kann man sich diesem Denkmal filmisch nähern, ohne Schmonzes zu fabrizieren? Joann Sfar, der französisch-jüdische Comic-Autor, hat es in seinem Regiedebüt Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte versucht, das diese Woche in den deutschen Kinos anläuft. Und, um das vorwegzunehmen, er ist damit gescheitert – wenngleich grandios. Das Problem: Serge Gainsbourgs Leben war an sich schon filmreif. Da hätte es schon eines Füllhorns genialer Regietricks bedurft, um sich dem Sog dieser Biografie zu entziehen.
Fresse Das gelingt Sfar, der auch das Drehbuch zu dem Film geschrieben hat, aber zumindest in den ersten 60 von insgesamt 120 Minuten. Der Film erzählt hier keine Vita nach, sondern hebt einzelne Episoden aus dem Leben hervor. Zum Beispiel jene, in der der kleine Lucien Ginsburg, wie der Spross osteuropäischer Einwanderer eigentlich hieß, im deutsch besetzen Paris auf ein antisemitisches Plakat stößt, in dessen grotesk-häßlicher Karikatur »des« Juden er sich wiedererkennt. Diese anfangs bedrohliche »Fresse«, gespielt von Doug Jones, wird zum ständigen Begleiter des Knaben, ist ihm fortan Freund und Gewissen. Ein dramaturgischer Kniff, der aus dem Repertoire des Mediums Comic stammt, aber auch im Film wunderbar funktioniert.
Überhaupt ist das Jüdische mit großer Einfühlung inszeniert: Als Gainsbourg mit Kindern Musik macht, die Konzentrationslager überlebt haben, entspinnt sich aus einer zaghaften Kakofonie ein ausgelassenes Klesmer-Stück, bei dem am Ende kein Auge trocken bleibt. Sfar ist sich hier seines Sujets sicher, heißt doch einer seiner bekanntesten Comics Klezmer.
je t’aime Auch beim Thema Erotik zeigt Sfar Gespür. Schon in der Szene, in der der junge Lucien an der Kunsthochschule Aktzeichnen lernt, beginnt die Filmleinwand zu knistern. Das steigert sich noch, als Gainsbourg (großartig gespielt von Éric Elmosnino) dann in Salvador Dalis Wohnung von dessen Freundin Elisabeth (Deborah Grall) verführt wird oder wenn Laetitia Casta als Brigitte Bardot einen Schleiertanz ums Piano hinlegt. Bis zum dramaturgischen Höhepunkt, der legendären Stöhn- und Hechelnummer Je t’aime ... moi non plus mit Jane Birkin (Lucy Gordon) ist dieser Film schlichtweg geil.
Doch dann tappt Sfar in die Biopic-Falle und hechelt auch noch all die anderen Frauen Gainsbourgs durch. Parallel dazu beschreibt er den Verfall des Musikers. Skandale wechseln sich mit Erfolgen ab. Als Musiker provoziert Gainsbourg mit Nazi-Rock oder einer Marseillaise-Version mit Reggae-Musikern. Auch nach einem Herzinfarkt säuft er weiter wie ein Loch und raucht wie ein Schlot. Als er am Ende seines Lebens spätes Liebesglück mit Bambou (Mylène Jampanoi) findet, hat man als Zuschauer längst aufgehört, die Affären mitzuzählen und ist froh, dass nicht auch noch die peinliche Whitney-Houston-Nummer kommt, bei der Gainsbourg in einer Talkshow, bis unter die Hutkrempe zugesoffen, der entgeisterten Sängerin ein »I want to fuck you« entgegenlallte.
»Ich möchte, dass dieser Film so viel Energie hat wie ein Sergio-Leone-Western und so viel Eleganz wie Fred Astaire«, hat sich der Regisseur von seinem Leinwand-erstling erhofft. Das ist Sfar zumindest einen halben Film lang gelungen. Dass er es nicht auf voller Länge durchgehalten hat, hat vielleicht mit der erdrückenden Größe seines Helden und Vorbilds zu tun: »Als Jugendlicher habe ich mir alles von Gainsbourg besorgt und es mir beim Zeichnen angehört. Mir gefiel die Vorstellung, dass er Maler werden wollte, damit aber keinen Erfolg hatte, dass er Frankreich gegenüber auf der Suche nach Liebe und Legitimität war, genau wie ich mit meiner halb russischen, halb algerischen Familie.«