Der Mann ist 91 Jahre alt und eine lebende Legende: Artur Brauner, der 1918 in Lodz geborene Jude, der den Holocaust in der Sowjetunion überlebte. 1946 ließ er sich in Berlin nieder und produzierte den Film Morituri, der böse floppte. Es war sein erster von heute 21 Filmen, die um die Schoa kreisen und nun in Yad Vashem in der Artur-Brauner-Mediathek zu sehen sind.
Das Visuelle Zentrum in Yad Vashem ist die weltweit größte Sammlung von Filmen über die Schoa. Über 6.100 Werke sind dort katalogisiert, ca. 60.000 Zeugenaussagen können eingesehen werden. Für Artur Brauner ist diese Ehre eine Genugtuung, hadert er doch nach wie vor damit, dass man ihn in Deutschland für sein Engagement nie genug gewürdigt habe.
UNVERSTÄNDNIS Viele seiner Werke kamen bei der Kritik hierzulande nicht gut an und wurden vom Publikum ignoriert. Zu Brauners bekanntesten Filmen gehört Hitlerjunge Salomon, der mit einem Golden Globe ausgezeichnet und dennoch nicht vom deutschen Auswahlgremium für den Auslands-Oscar vorgeschlagen wurde.
Schindlers Liste wollte Brauner zunächst selbst produzieren. 600.000 DM hatte er bereits in das Projekt investiert, aber dann keine deutsche Förderung erhalten. Er musste das Projekt aufgeben. So war Brauner vor allem nach 1989 gezwungen, kostengünstig zu arbeiten und in Litauen oder Weißrussland zu drehen. Das sah man den Filmen dann auch an; die Häme der Kritik indes war oft unberechtigt. Die so entstandenen Brauner-Produktionen Von Hölle zu Hölle oder Babi Jar kamen nur vereinzelt oder gar nicht in die deutschen Kinos.
VERGESSEN Knapp 15 Millionen DM hat Artur Brauner mit Filmen verloren, die den Holocaust thematisierten. Der Misserfolg hat ihn dennoch nicht von seinem humanistischen Credo abgebracht: »Ich vergesse nicht diejenigen, die sich nicht mehr wehren können, deren Gesichter nicht mehr sichtbar sind. Die muss ich zum Leben erwecken, das tue ich bis zum heutigen Tag.«
Und so wurde ihm auch Der letzte Zug mit der türkischen Schauspielerin Sibel Kekilli in der Hauptrolle zu einem Herzensprojekt. »Die Tatsache«, sagte Brauner, »dass rund 100 Menschen eingepfercht werden in einen Viehwaggon und sechs Tage ohne Wasser auskommen müssen, ohne zu essen und unter den schrecklichsten hygienischen Bedingungen, ging mir so unter die Haut, dass ich das Drehbuch mitgestaltet habe.«
RESIGNATION Obwohl der Film von Joseph Vilsmaier und Dana Vavrova mit namhaften Darstellern verfilmt wurde, spielte er nur magere 100.000 Euro ein. Wohl auch deshalb stellte Artur Brauner nach Zug des Lebens resigniert und verbittert fest: »Das Publikum – und das ist das deutsche Volk – boykottiert und ignoriert die Filme. Ganz einfach, sie verdrängen sie. Und wenn ich geglaubt habe, dass es bei Morituri der Fall sei, weil es zwei Jahre nach Kriegsende noch die alten Nazis gab und gehofft habe, dass sich das mit der Zeit ändern würde, so muss ich zugeben, dass das ein Irrtum war. Das macht mich eigentlich sehr traurig.«
Am Montag ließ es sich Brauner umso weniger nehmen, in Begleitung von seinen Kindern nach Jerusalem zu reisen, um bei der Eröffnung in Yad Vashem anwesend zu sein. Dass seine Werke dort gebührend geehrt werden, dessen kann sich der Berliner Filmproduzent Artur »Atze« Brauner gewiss sein.