Mit einer Open-Air-Ausstellung in der Nähe des Berliner Holocaust-Mahnmals erinnert das Internationale Auschwitz Komitee an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 76 Jahren.
SYMBOL DER SCHOA Die Ausstellung an der Landesvertretung von Niedersachsen ist seit Mittwoch geöffnet und steht unter der Überschrift »Was habe ich erreicht? - Überlebende von Auschwitz ziehen Bilanz«. Sie ist bis zum 31. Januar zu sehen. Gezeigt werden knapp 20 Porträts von ehemaligen KZ-Häftlingen. Sie sind mit jeweils einem Zitat versehen.
Das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau war am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee befreit worden. Es ist bis heute das wichtigste Symbol für den millionenfachen Mord der Nationalsozialisten an Juden und anderen Minderheiten. Sechs Millionen Menschen wurden im Holocaust ermordet, 1,1 Millionen davon allein in Auschwitz.
»Der Gedenktag zur Befreiung von Auschwitz ist für die Überlebenden von Auschwitz ein Tag der Erinnerung und der Sorge«, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, zur Ausstellungseröffnung. Sie erinnerten sich an ihre ermordeten Familienangehörigen und Mithäftlinge. Zugleich blickten sie mit Sorge auf die Herausforderungen, denen die Demokratien durch Antisemitismus und rechtsextremen Hass ausgesetzt seien.
ENTWICKLUNGEN Die Ausstellung gegenüber dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas in der Hannah-Arendt-Straße zeigt beispielsweise das Porträt von Justin Sonder. Daneben steht seine Frage: »Was habe ich erreicht?«
Als 18-jähriger Jude wurde er 1943 nach Auschwitz deportiert. Im Lager überlebt Sonder 17 »Selektionen«. Nach seiner Befreiung kehrte er nach Chemnitz zurück. Über Jahrzehnte berichtete er vor jungen Menschen über seine Erinnerungen an Auschwitz und die Verfolgung jüdischer Familien. Sonder starb am 3. November 2020 in Chemnitz.
»Dass dieser rechtsextreme Hass noch einmal solche Gewalt gewinnt und populistisch in vielen Ländern benutzt wird«, sei für die Überlebenden nach ihrer Befreiung unvorstellbar gewesen, sagte Heubner mit Blick auf aktuelle Entwicklungen. Wenn Auschwitz-Überlebende heute daran erinnerten, Auschwitz und seine Ursachen nicht zu vergessen, dann meinten sie: »Vergesst Eure Zukunft nicht! Seid nicht gleichgültig! Beschützt die Demokratie!«, so Heubner.
»PESSIMISTISCH« So sagt etwa der ebenfalls porträtierte Leon Schwarzbaum, 1921 in Hamburg geboren, ab 1943 Häftling in Auschwitz und heute in Berlin lebend: Er hoffe, »dass die Menschen darüber nachdenken, was geschah«. »Ich bin skeptisch, aber die Hoffnung habe ich immer noch.«
Die Anfang des Jahres im Alter von 96 Jahren gestorbene Renate Lasker-Harpprecht überlebte die Todeslager von Auschwitz und Bergen-Belsen. Sie wird mit den Worten aus ihrem Gastbeitrag in der Jüdischen Allgemeinen vom Januar 2020 zitiert: »Ich bin pessimistisch, was die Zukunft angeht.« Und sie frage sich: »Was hat die Welt eigentlich aus Auschwitz gelernt?«
Das Auschwitz Komitee lädt anlässlich des Jahrestages der Befreiung für Sonntag zu einem Gedenkkonzert mit dem Pianisten Igor Levit ein. Das Konzert wird live aus der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin gestreamt. Die Auswahl der Musikstücke stammt von KZ-Überlebenden. epd