»Dieser Job bringt mich noch ins Grab!« Fast jeder Berufstätige klagt irgendwann einmal über Stress, nervige Kunden oder tyrannische Vorgesetzte. Doch eine Studie der Universität Tel Aviv zeigt, dass nicht nur übermäßige Arbeitsbelastung, Lärm oder Schichtarbeit lebensverkürzend sind.
Auch die lieben Kollegen haben maßgeblich Einfluss darauf, wie alt man wird. »Die Risiken, an Alzheimer, Depressionen oder Herzerkrankungen zu sterben, sind deutlich höher, wenn das Arbeitsklima durch Spannungen zwischen den Mitarbeitern geprägt und wenig gegenseitige Unterstützung zu spüren ist«, erklärt Arie Shirom, der Leiter der Untersuchung.
risiko Die Aussagen der Forscher basieren auf einer quantitativ großen und recht heterogenen Gruppe von Probanden sowie einem außergewöhnlich langen Beobachtungszeitraum. Über 20 Jahre hinweg checkten die Forscher den gesundheitlichen Status von 820 Erwachsenen aus allen Bereichen der israelischen Gesellschaft und Wirtschaft, von denen im Verlauf der Untersuchung 53 verstarben.
Berücksichtigt wurden auch medizinische Faktoren wie Nikotin- und Alkoholkonsum, Übergewicht sowie Blutzucker- und Cholesterinspiegel. 80 Prozent der regelmäßig untersuchten Personen waren verheiratet und hatten Kinder, ein Drittel war weiblich. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit betrug 8,8 Stunden am Tag. Darüber hinaus wurden alle an der Studie teilnehmenden Probanden immer wieder zur Arbeitsplatzatmosphäre befragt.
Das Verblüffende: Obwohl das Meckern über den Vorgesetzten häufigstes Thema in diesen Gesprächen war, entdeckten Shirom und sein Team, dass ein unangenehmer Chef genauso wenig Auswirkungen auf die Lebensdauer hat wie ein verständnisvoller oder die Zahl der Bürostunden. Dafür kam heraus, dass unfreundliche Kollegen in direktem Zusammenhang mit einem höheren Sterberisiko stehen.
Arbeitnehmer im mittleren Alter, die wenig Unterstützung und Akzeptanz von ihren Kollegen erfuhren, waren einer 2,4 mal höheren Wahrscheinlichkeit ausgesetzt, noch während der Studie zu sterben. Besonders die Gruppe der 38- bis 43-Jährigen scheint davon betroffen. Arie Shirom rät: »Der Aufbau freundschaftlicher Kontakte zu den Kollegen kann also helfen, Ressourcen zu mobilisieren, die wiederum dazu beitragen, negative Auswirkungen auf die Gesundheit abzufedern.«
kontrolle Noch etwas haben die Tel Aviver Wissenschaftler herausgefunden: den Zusammenhang zwischen einem frühen Ableben und dem Ausmaß der Kontrolle, die man am Arbeitsplatz erlebt. Wer sich also selbst als kleine Nummer wahrnimmt und nur Anordnungen Folge leistet, dem droht ein früheres Ende als denjenigen, die Initiative zeigen und glauben, alles im Griff zu haben. Aber diese Aussage gilt nur für Männer.
Weibliche Probanden dagegen starben umso früher, je größer sie sich im Job als autonom begriffen. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Eine Theorie lautet, dass Frauen oft Familie und Job unter einen Hut bringen müssen und allein dies eine Stressquelle darstellt, die den eigentlich positiven Faktor Kontrolle neutralisiert.
»Aber vielleicht liegt es auch daran, dass zahlreiche Studienteilnehmer Handwerker oder in einem verarbeitenden Gewerbe tätig waren«, mein Shirom. »Und in diesen Bereichen sind Männer eindeutig in der Überzahl und haben in der Regel eine größere Kontrolle über ihren Arbeitsplatz.«