Günther Jauch wirkt live noch größer und schlaksiger als im Fernsehen. Er trinkt seinen Kaffee gern amerikanisch mit viel Wasser und wünscht sich - Streit. In der Reihe »Heidelberger Hochschulreden« der Hochschule für Jüdische Studien (HfJS) ist der Journalist und Moderator an diesem Donnerstag in die Stadt am Neckar gekommen. Der 53-Jährige will auf eigenen Wunsch nicht vortragen, sondern diskutieren: »Zwischen Anspruch, Quote und wirtschaftlichem Erfolg – was Sie schon immer über das Fernsehen wissen wollten« lautet das Thema. Und Jauch schickt voraus: »Man kann mich prinzipiell alles fragen, ich streite mich gern.« Auch das Ambiente einer Universität behagt ihm. »Hier gibt es neugierige Menschen und neue Anstöße, das verspricht schon mal, nicht langweilig zu werden.«
Das wird es auch nicht. Von den Verhandlungen mit der ARD bis zu Jauchs Adoptivkindern kommt unter der Moderation von Pressereferentin Désirée Martin sowie den drei Studenten Sebastian Felser, Samantha Walter und Jonathan Walter alles auf den Tisch. Die Stimmung im vollen Saal bewegt sich zwischen gespannt-andächtig und aufgeregt-flüsternd. Jauch sitzt leger in Jeans und einem beige-grün gestreiften Pulli auf dem Podium und bekommt Applaus wie bei seiner Quizshow »Wer wird Millionär«. »Ich habe schon festgestellt, dass die meisten Studenten hier besser angezogen sind als ich«, scherzt er.
Unterschichten Doch nicht Kleidungsfragen sind das Hauptthema, sondern die Frage nach Anspruch und Qualität im Fernsehen, nach der Balance zwischen Information und Unterhaltung. Und Jauch hat oft überraschende Antworten parat. Von Marcel Reich-Ranickis Kritik beim Fernsehpreis zum Beispiel fühle er sich nicht angesprochen, »weil der vom Fernsehen gar keine Ahnung hat«. Seine eigene Sendung »stern-TV« beschreibt er als Wundertüte, in der er sowohl Seehunde zeigen als auch Minister zu Fall bringen könne. »Ich sag‹ Ihnen mal eins: Sie alle sehen die Seehunde doch auch ganz gerne.« Formate wie die »Super Nanny« und »Raus aus den Schulden« verteidigt Jauch: »Man schaut da zum Teil in das Unterschichten-Elend rein. Ich finde es gut, dass sich Fernsehen damit beschäftigt und zeigt: So dürft ihr es nicht machen.«
Nach 90 Minuten ist alles vorbei, fast. Es gibt noch Autogramme und zufriedene Gesichter. »Wir hätten uns auch im Café treffen können, und es wäre wohl auch ein nettes Gespräch geworden«, sagt Mitmoderator Sebastian Felser (26). Er arbeite bereits für den WDR und will später Hörfunk machen. Zu stern-TV zieht es ihn allerdings nicht. »Da ist mir die Wundertüte doch zu bunt.«