Herr Fox, 2002 haben Sie »Yossi & Jagger« gedreht, über eine schwule Liebestragödie in der Zahal. Elf Jahre später kommt an diesem Donnerstag die Fortsetzung »Yossi« in die deutschen Kinos. Was mich frappiert hat, ist, wie selbstverständlich dort Soldaten inzwischen mit ihrer Homosexualität umgehen. Hat sich die Lage von Schwulen und Lesben in Israel verändert?
Das hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch geändert. Als ich in der Armee gedient habe – dem Schrein der israelischen Männlichkeit – war die Vorstellung, dort seine Homosexualität offen zu zeigen, undenkbar. Heute ist es völlig normal, dass sich schwule Soldaten und Offiziere nicht mehr verstecken. Ich bin stolz darauf, dass ich mit Filmen wie »Yossi & Jagger« und meinen Produktionen fürs Fernsehen Anteil an diesem Prozess hatte.
Diese Veränderung haben Sie auch bei den Dreharbeiten selbst erlebt.
Ja. Als wir damals »Yossi & Jagger« drehten, haben wir die Armee um Unterstützung gebeten, um Uniformen, Waffen, Bunker und so weiter zu bekommen. Es ist schwer, einen Film über die Zahal ohne deren Unterstützung zu realisieren. Und sie verweigerte die Mitarbeit wegen des Themas. Wir haben »Yossi & Jagger« also ohne ihre Hilfe gemacht und der Film war in Israel solch ein Erfolg, dass das Militär ihn für sich entdeckt und ihn den Soldaten vorgeführt hat. Als die Zahal erfahren hat, dass wir eine Fortsetzung drehen, hat sie diesmal von sich aus ihre Unterstützung angeboten. Sie sehen, die Dinge haben sich geändert, Israel hat sich geändert, denn die Armee ist in vieler Hinsicht ein Spiegel der israelischen Gesellschaft. Natürlich brauchen gesellschaftliche Veränderungen dort etwas länger, bis sie sich durchsetzen.
Sie selbst haben als Schwuler in Israel andere Zeiten erlebt.
Das Israel, in dem ich aufwuchs, das Israel, dem Yossi zum Opfer fiel, war sehr isoliert, sehr nationalistisch, militaristisch, sehr macho. Dazu gehörte ein Bild des Mannes, der hetero, männlich und stark ist, es galt, Held zu sein, Überlebender. Schwul zu sein, passte nicht in dieses Bild. Als junger Mann, der spürte, dass er schwul ist, merkte ich das.
Wer wusste zu dieser Zeit, dass Sie schwul waren?
Nur ich …
Nur Sie?
(lacht) … Nur ich. Weder Freunde, Freundinnen noch meine Familie – nur ich.
Wann haben Sie sich geoutet?
Nach meinem Militärdienst. Ich habe in Tel Aviv Film- und Fernsehwissenschaften studiert. Die Atmosphäre war von Künstlern und einer progressiven politischen Stimmung geprägt. Hier habe ich meinen jetzigen Lebensgefährten, den Produzenten und Drehbuchautor Gal Uchovsky kennengelernt. Wir sind jetzt seit 24 Jahren zusammen. Das gab mir die Kraft, mich meiner Mutter und meinem Vater – einem Rabbiner – zu erklären. Das war sehr schwer für beide. Heute haben Eltern viele Informationen, was es bedeutet, schwul zu sein, und es gibt viele Vorbilder in den Medien. Deshalb kann es für Väter und Mütter viel leichter sein, damit zurechtzukommen.
Konnten Sie mit Ihrem Lebenspartner am Schabbat zu Ihren Eltern gehen?
Meine vor zehn Jahren verstorbenen Eltern waren geschieden, so gingen wir den einen Freitag zu meiner Mutter, den nächsten zu meinem Vater. Aber es hat natürlich Zeit gebraucht, bis sie meine Homosexualität akzeptieren konnten. Heute sind wir in Israel ein bekanntes schwules Paar, das sich seit Langem für schwule Bürgerrechte einsetzt.
Zurück zum Film. Wie reflektiert er diese Veränderungen?
Yossi, der inzwischen Arzt an einem Krankenhaus ist, repräsentiert die alte Gesellschaft, das alte Israel. Er trifft auf Tom, der für das neue, aufgeklärte Israel steht. Der lebt seine Homosexualität offen aus, er ist Offizier der israelischen Armee und ein richtiger Mann, dessen Freunde heterosexuell sind und sich an seinem Schwulsein nicht stören. Yossi, der seit Jaggers Tod zurückgezogen lebt, weiß nicht, wie er mit dieser Offenheit und Selbstverständlichkeit umgehen soll, er kann nicht glauben, dass das die Realität ist. Deshalb macht sich Tom über ihn lustig, sagt zum Beispiel: »Ich erinnere mich an Ben Gurion, an die Gründung des Staates.« Teil der Aussage dieses Films ist, dass ich Yossi – und mich selbst – vor zehn Jahren in einer sehr schwierigen Lage sich selbst überlassen habe. Jetzt gehe ich zurück, hole ihn aus seiner Verzweiflung heraus und sage ihm: Sieh, das ist die neue Gesellschaft, du bist in deinem Trauma, in deiner Vergangenheit stecken geblieben, aber die Dinge haben sich geändert. Mach sie dir zu eigen. Yossi braucht sehr lange, das zu verstehen und umzusetzen.
Sie sind momentan in Berlin, unter anderem, um ein neues Projekt zu diskutieren, einen Film über eine deutsch-jüdische schwule Geschichte.
Ich bin gerade mit einer Produktionsfirma im Gespräch, die wahre Story des 19-jährigen schwulen Berliners Gad Beck zu verfilmen. Der ging als Teenager in den Widerstand und war Teil einer Gruppe von Juden, die sich während des gesamten Zweiten Weltkriegs in Berlin versteckt hielten. Er war schwul und hatte auch Beziehungen zu deutschen Offizieren. Er hat 1990 seine Autobiografie geschrieben. Und jetzt will diese große deutsche Produktionsfirma den Stoff entwickeln.
Das Gespräch führte Richard Rendler.