Schweden ist ein kaltes, trübes und lutherisches Land. Das wissen Kinogänger seit Ingmar Bergman. Niemand hat die freudlose Atmosphäre des skandinavischen Königreiches so eindringlich ins Bild gesetzt wie der Pfarrerssohn aus Uppsala. Und keiner verkörperte Bergmans depressiven Mix aus protestantischen Schuldgefühlen, Ängsten und Obsessionen überzeugender als Erland Josephson, der vergangenen Samstag 89-jährig an den Folgen einer langjährigen Parkinson-Erkrankung gestorben ist.
ingmar bergman Dabei war Erland Josephson kein Protestant, sondern Jude – Spross einer Ende des 18. Jahrhunderts aus Preußen nach Schweden emigrierten Künstlerfamilie, aus der Musiker, Theaterregisseure, Maler und Schriftsteller hervorgingen.
Der junge Erland folgte dieser Tradition. Mit 16 Jahren trat er erstmals auf der Bühne auf, im Stockholmer Studententheater Norra Latin. Sein Regisseur war der 21-jährige Ingmar Bergman, das Stück, das er inszenierte, Shakespeares Kaufmann von Venedig mit dem jungen Josephson als – nein, nicht Shylock, sondern Antonio.
Es war der Beginn einer Zusammenarbeit, die über 60 Jahre währen sollte. Josephson wurde zum Gesicht von Bergman-Filmen wie Die Stunde des Wolfs, Schreie und Flüstern, Herbstsonate sowie, an der Seite von Liv Ullman, in Szenen einer Ehe. Der ursprünglich als Fernsehserie angelegte Film, dessen Titel mittlerweile zum geflügelten Wort avanciert ist, war Bergmans größter internationaler Erfolg und machte seine Hauptdarsteller weltweit bekannt und gefragt.
Erland Josephson drehte in der Folge mit internationalen Regisseuren wie Lilliana Cavani (Jenseits von Gut und Böse), Philip Kaufman (Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins), István Szábo (Hanussen) und Andrey Tarkovsky (Nostalghia). Das Angebot, 1978 in Der Weiße Hai 2 zu spielen, schlug Josephson allerdings aus. »Ich liefere mir lieber intellektuelle Auseinandersetzungen mit Liv Ullman, statt mit irgendeinem Hai zu kämpfen.«
rabbiner-rolle Erland Josephson hätte in den 70er- und 80er-Jahren Weltkarriere machen können. Doch die internationalen Auftritte waren für ihn immer nur Ausflüge, von denen er stets nach Schweden und zu Bergman zurückkehrte. Unter dessen Regie stand er weiter vor der Kamera, zuletzt 2003 in Sarabande, und auf der Bühne des Königlichen Dramatheaters von Stockholm, dessen Intendant Josephson von 1966 bis 1975 war.
Dort gab er 1993 den Goldberg in George Taboris Die Goldberg-Variationen, eine seiner raren jüdischen Rollen. Eine andere war die eines ungarischen Rabbiners in Kjell Gredes Film Guten Abend, Herr Wallenberg 1990, über den schwedischen Judenretter von Budapest.
So selten Erland Josephson Juden spielte, so wichtig war ihm sein Judentum persönlich. Er war Mitglied der Stockholmer Gemeinde, deren Vorsitzender sein Vater Gunnar einst gewesen war. In seinen Büchern – er schrieb acht Romane, zwei Gedichtbände, Dutzende Drehbücher, Schau- und Hörspiele sowie mehrere Erinnerungsbände – befasste er sich immer wieder mit jüdischen Fragestellungen. Sein Roman En Berättelse om Herr Silberstein (1957) handelte vom schwedischen Nachkriegsantisemitismus. 2001 erschien das Buch als A Story about Mr. Silverstein in den USA.
In einem Interview, das Erland Josephson 2009 dem schwedischen Gemeindemagazin Judisk Krönika gab, zitierte er als Lebensmotto aus seinem autobiografischen Buch Självporträtt (»Selbstporträt«): »Es ist anregend kompliziert, Jude zu sein.«