Nach vernichtender Kritik von Historikern hat der niederländische Verlag Ambo Anthos das Buch über den Verrat an Anne Frank aus dem Handel genommen. Das teilte der Verlag am Mittwoch in Amsterdam mit. In dem umstrittenen Buch wird ein jüdischer Notar als Verräter des Verstecks des jüdischen Mädchens genannt.
Am Vorabend hatten Historiker eine 69 Seiten starke kritische Analyse zu dem Buch präsentiert, in der sie die Verratsthese in Sullivans Buch als Kartenhaus bezeichnete. Das Verfasserteam hinter der These sei bei seinen Ermittlungen nach dem Muster verfahren, jeweils eine Schlussfolgerung zu ziehen, diese als wahr zu betrachten und dann zur Grundlage der nächsten Schlussfolgerung zu machen. »Das macht das ganze Buch zu einem schwankenden Kartenhaus, denn wenn sich ein einzelner Schritt als falsch erweist, fallen auch die darüber liegenden Karten in sich zusammen«, schrieben sie.
UNRECHT Die Enkelin des beschuldigten Notars rief nun auch den US-Verleger HarperCollins auf, das Buch weltweit aus dem Handel zu nehmen. »Mit diesem Werk beutet ihr die Geschichte von Anne Frank aus und tragt zu einem großen Unrecht bei«, sagte Mirjam de Gorter dem niederländischen Radio.
Sofort nach Erscheinen des Buches gab es heftige Kritik von namhaften Historikern.
Anne Frank lebte zwei Jahre lang gemeinsam mit ihrer Familie und vier anderen Juden in einem Hinterhaus in Amsterdam im Versteck vor den deutschen Nationalsozialisten. Dort schrieb Anne (1929-1945) ihr heute weltberühmtes Tagebuch. 1944 wurde das Versteck verraten und die Bewohner wurden in Konzentrationslager deportiert. Nur Annes Vater Otto überlebte.
Ein sogenanntes Coldcase-Team von internationalen Untersuchern unter Leitung eines ehemaligen FBI-Agenten hatte untersucht, wer das Versteck verraten hatte, und seinen Bericht im Januar präsentiert. Der jüdische Notar sollte der Verräter sein, um sich und seine Familie zu retten.
Sofort nach Erscheinen aber gab es heftige Kritik von namhaften Historikern. Sie legten nun eine Gegen-Studie vor. Das Buch sei stümperhaft, beruhe auf falschen Annahmen, Quellen seien falsch genutzt worden. Auf dieser Grundlage rief der Amsterdamer Verlag nun alle Buchhändler auf, ihre Vorräte zurück zu schicken. Er entschuldigte sich »bei all denjenigen, die durch den Inhalt des Buches verletzt wurden.« Das Coldcase-Team hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Sie hätten nur eine Theorie dargestellt, die allerdings sehr wahrscheinlich sei. ap/dpa