Adriana Altaras

Schonungslos selbstironisch

Die Schauspielerin und Autorin berichtet unterhaltsam und scharfsinnig aus ihrem Alltag

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  21.03.2017 11:16 Uhr

Adriana Altaras’ Beobachtungen sind ebenso klug und scharfsinnig wie unterhaltsam. Foto: PR

Die Schauspielerin und Autorin berichtet unterhaltsam und scharfsinnig aus ihrem Alltag

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  21.03.2017 11:16 Uhr

Dass Adriana Altaras so freimütig aus ihrem Leben erzählt, ist ein Glücksfall. Von der ersten Seite an nimmt sie ihre Leser mit: ans Meer, wo sie ihren Gedanken übers Älterwerden freien Lauf lässt; auf die Opernbühne, die Sängern aus aller Welt nicht nur Asyl, sondern Freiheit ermöglicht; zum kurdischen Fischhändler, der türkische Geschichte aus seiner Sicht beschreibt; in die Synagoge, wo sie über Heimat nachdenkt – einen aus ihrer Sicht »überbewerteten Begriff«. So punktgenau und zugleich schonungslos und selbstironisch zu schreiben, das ist nicht alltäglich – auch wenn genau davon Adriana Altaras’ Kurzgeschichten handeln: vom Alltag.

Nach ihren Büchern Doitscha und Titos Brille schildert die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin in ihrem neuen Erzählband Das Meer und ich waren im besten Alter komische und skurrile Begegnungen mit Verwandten, Freunden und Kollegen, mit Theaterleuten und Rabbinern.

wahlheimat Altaras’ Beobachtungen sind ebenso klug und scharfsinnig wie unterhaltsam. Sie sind erfrischend nah am Leben angesiedelt und lassen dennoch genügend Raum, dem Gelesenen nachzuspüren – den Erfahrungen als Mutter zweier Söhne etwa wie auch ihren Auseinandersetzungen mit der Wahlheimat Berlin, der »großen hässlichen Geliebten«.

Die Themen, die Altaras in ihren Kurzgeschichten nicht loslassen, sind universal – gerade das macht das Buch so lesenswert. Sie handeln vom Umgang mit der eigenen Familiengeschichte wie auch von Mut und Zivilcourage, von Sehnsucht, Liebe und Eifersucht. So ergründet die Berliner Autorin, die 1960 in Kroatien geboren wurde, auch existenzielle Fragen wie Fluchterfahrung und Identität.

In nächtlichen Gesprächen mit ihrem Sohn etwa beschreibt sie einfühlsam die Sorgen Heranwachsender, spürt dem Dilemma zwischen Erinnerungen und Gegenwart nach, schreibt von den alten Möbeln ihrer Tante, die plötzlich nachts durch ihre Träume spuken. Und sie sagt der Angst vehement den Kampf an.

mascha kaléko Altaras schreibt mit spitzer Feder und »frecher Klappe«, persönlich und geistreich, witzig und anregend. Da ist womöglich etwas dran an der Seelenverwandtschaft mit Mascha Kaléko, deren Entdeckung Altaras in einem ihrer stärksten Kapitel mit viel Staunen und Einfühlsamkeit schildert.

»Der Alltag ist ihr Steckenpferd. Danke, würde ich rufen, wenn sie neben mir säße. Was ist spannender als das Leben?« Man kann sie sich gut zusammen vorstellen – zwei freigeistige Frauen, die das Leben lieben und den Ton ihrer Zeit treffen.

Adriana Altaras: »Das Meer und ich waren im besten Alter«. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017, 224 S., 8,99 €

50 Jahre Judaistik-Fachverband

»Ein betont multidisziplinäres Fach«

Die Vorsitzende Katrin Kogman-Appel über die Entwicklung jüdischer Studien in Deutschland

von Ralf Balke  29.10.2024

Attentat

Fakt und Fiktion in schlüssiger Symbiose

Christof Weigolds Kriminalroman über den ungeklärten Brandanschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in München im Jahr 1970

von Helen Richter  27.10.2024

Netflix-Serie

Balsam für Dating-Geplagte? Serienhit mit verliebtem Rabbiner

»Nobody Wants This« sorgt derzeit für besonderen Gesprächsstoff

von Gregor Tholl  23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis des Thinktanks »Mena-Watch« ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Essay

Die gestohlene Zeit

Der Krieg zerstört nicht nur Leben, sondern auch die Möglichkeit, die Zukunft zu planen, schreibt der Autor Benjamin Balint aus Jerusalem anlässlich des Feiertags Simchat Tora

von Benjamin Balint  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024

Europa-Tournee

Lenny Kravitz gibt fünf Konzerte in Deutschland

Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch, den 22. Oktober

 21.10.2024